Marzahn-Hellersdorfer Gesellschaftspolitisches Forum
Von außen betrachtet könnte man das Leben des Schriftstellers ronald m. schernikau als Biografie im Zickzack bezeichnen. Liest man jedoch bei ihm selbst nach, so ergibt sich eine ganz klare Haltung. Ein unerbittlich scharfer Blick sowohl auf die gesellschaftlichen Verhältnisse als auch auf sich selbst kennzeichnete ihn schon früh: „der als schüler sehr albern ist, dessen soziales verhalten sich oft in witzen erschöpft oder provokationen, die keine antwort wollen, sondern scheinbar eine sind“, steht in der „kleinstadtnovelle“, die autobiografisch das Coming-Out in einer Kleinstadt beschreibt.
In "die tage in l." ist Schernikau privat und doch öffentlich, er verknüpft seine Beobachtungen zu einem dichten Netz und heraus kommt dabei - wie der Publizist Boris Gröndahl einmal sagte - das einzige Buch, das die Ereignisse von 1989/90 wirklich erklären half. „schreiben, schwul sein, kommunist sein“ - diese Zuschreibungen waren für schernikau die Bedingungen seiner Existenz, keines ohne das andere denkbar. Dennoch blieb seiner Liebe zum kommunistischen Deutschland von diesem unerwidert. Er war der DDR „zu schwul, zu selbstbewusst, zu kommunistisch“, wie Martin Brandt mutmaßt.
Schernikau hat den Pass der DDR als deren letzter Neubürger entgegengenommen. Zur Wendezeit wohnte er in der Marzahner Cecilienstraße und schuf dort die riesenhafte, in ihrer Struktur an die Bibel gemahnende Montage „legende“. Diese und andere Schriften schernikaus sind heute echte Entdeckungen, deren tatsächliche Bedeutung vom Literaturbetrieb erst nach und nach erkannt wird.
Weggefährten und Kenner eröffnen ihren ganz persönlichen Zugang zu ronald m. schernikau. In Erinnerungen, Streiflichtern und originalen Texten des Autors.
Referenten: Thomas Keck, Dr. Klaus Lederer, PD Dr. Volker Gransow
Moderation: Kristian Ronneburg