Digitaler Wandel Online
Die deutsche Post zu Zeiten Wilhelms II. galt Lenin als Musterbeispiel sozialistischen Wirtschaftens. Nur, dass dieser "technisch hoch entwickelte Mechanismus" (Lenin) von der vereinigten Arbeiterschaft selbst gesteuert werden müsste. "Unser nächstes Ziel ist, die gesamte Volkswirtschaft nach dem Vorbild der Post zu organisieren", so der russische Revolutionär. Effizienz, Technik und Planung sollten die Grundpfeiler der sozialistischen Zukunft sein.
Über 100 Jahre später ist mit Amazon wieder ein Logistik-Unternehmen der Maßstab für Effizienz durch Planung. Fällt heute das Wort Planwirtschaft, wird hingegen immer das ökonomische Scheitern des Sozialismus in Anschlag gebracht. Bis heute werden Karl Marx und Friedrich Engels, die Ikonen der Kapitalismuskritik, für das Scheitern des real existierenden Sozialismus in Haftung genommen. Ist das gerechtfertigt? Wie viel Planung steckte überhaupt in Marx?
Was, wenn das Kapital selbst plant, was das Zeug hält? Wenn im digitalen Kapitalismus die invisible hand des Marktes zusehends durch Voraussagetechnologien ersetzt wird? Im Kontext dieser Fragen erwacht ein neuerliches Interesse für die sozialistischen Planungsdebatten aus den 1930er Jahren, an die wir anknüpfen, die wir gleichwohl aber auch hinter uns lassen wollen. Wie kann da eine sozialistische Alternative aussehen, die mehr ist als datengetriebene, algorithmische Optimierung?
Das lassen wir uns von Valeria Bruschi und Timo Daum erzählen. Zusammen haben sie im jüngst erschienenen Sammelband "Die unsichtbare Hand des Plans. Koordination und Kalkül im digitalen Kapitalismus[1]" Beiträge zum Thema veröffentlicht.
Moderation: Fabian Kunow