Vielfalt sozialistischen Denkens
BITTE WARM ANZIEHEN, WIR SIND IM ZELT IM BLANK-GARTEN
Am 19. März 2018 starb Moishe Postone. Obwohl er den größten Teil seines Lebens in den USA lebte, war es die deutsche Linke, in welcher „der letzte Frankfurter“ (FAZ) seine eigentliche Wirkung hatte. Das lag an zwei Schriften, zum einen an seinem umfangreichen Hauptwerk Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, und zum anderen an dem kleinen Aufsatz Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein theoretischer Versuch. Beide verbinden die Kritische Theorie in der Tradition von Adorno und Horkheimer mit der Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie, besonders ihrer werttheoretischen Seite, und beide gehen auf Distanz zum klassischen Marxismus einerseits und zur post-strukturalistischen Theorie andererseits.
Der rote Faden in seinem Werk aber war die Kritik der abstrakten Arbeit und der Lohnarbeit. Dem „traditionellen Marxismus“ warf er vor, mit einer affirmativen Kritik vom „Standpunkt der Arbeit“ die Befreiung der Arbeit vom Kapital zu verfolgen – statt die Befreiung von der Arbeit. Im Rückgriff auf Marx zielte Postone auf eine Emanzipation von der Lohnarbeit, wobei er auch eine Abkehr von der Negativität und vom Pessimismus der Kritischen Theorie vollzog, indem er sich auf den Fortschritt berief, den die Steigerung der Produktivkraft mit sich bringe – zumindest potenziell. Denn genau diese Möglichkeit der Befreiung entwickele sich im Widerspruch zur kapitalistischen Wirklichkeit: Durch die Steigerung der Produktivkraft wird Lohnarbeit zwar zunehmend überflüssig, aber die Arbeitsgesellschaft wird weiterhin aufrechterhalten. Das führt zu einer Krise der Lohnarbeit, die sich nicht nur ökonomisch, sondern auch ideologisch äußert, etwa im zunehmenden Antisemitismus oder in religiösen Fundamentalismen, die Postone auf einer grundlegenderen Ebene als Reaktionsweisen auf die spezifischen Formen kapitalistischer Vergesellschaftung beschreibt.
Wir wollen an dem Abend über Postones Kritik sprechen. Den Abend im ://about blank eröffnen werden eine kurze Einführung und ein 30-minütiger Film mit einem Interview. Anschließend wollen wir in einer Gesprächsrunde mit Christine Achinger (Warwick), Timo Daum (Leipzig) und Frank Engster (Berlin) die Stärken und Schwächen seiner Kritik, ihre Diskussion in der (deutschen) Linken und Postones persönliches Verhältnis zu ihr diskutieren.
In Kooperation mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung[1] und dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt[2].