Europa von links
Die wirtschaftspolitischen Daten in Polen sprechen eine eindeutige Sprache: Nach wie vor lebt die Mehrheit der polnischen Bevölkerung unter dem Sozialminimum und muss mit ca. 200 EUR im Monat den Lebensalltag bestreiten. Für die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben reicht dies oft nicht aus. Rund ein Viertel aller Beschäftigten ist auf Grundlage so genannter „Müll-Verträge“ beschäftigt, die den Minimallohn von ca. 320 EUR nicht überschreiten. Trotz dieser sozialen Ausgrenzung ging die letzte Wahl zum polnischen Parlament (Sejm) für die links orientierten Parteien mit einer verheerenden Wahlniederlage und einer großen Mehrheit für Parteien, die einen neoliberalen Kurs befürworten, einher. Dieses Wahlergebnis wird von vielen Medien in Europa als Bestätigung von Stabilität und politischer Reife dargestellt. Die Realität in Polen sieht jedoch anders aus: Die überwältigende Mehrheit der polnischen Bevölkerung hat an den Wahlen nicht teilgenommen und damit deutlich gemacht, dass sie sich durch die derzeitigen Parteien nicht vertreten fühlt. Der Versuch des "Bundes der Demokratischen Linken" (SLD), durch ein Wahlbündnis mit dem Arbeitgeberverband "Business Centre Club" eine für den konservativen Mainstream wählbare Alternative anzubieten, führte zu einer herben Wahlniederlage. Auch in vielen gesellschaftspolitischen Fragen bleiben die Antworten der SLD neoliberal und konservativ. Durch dieses Vakuum konnte die Partei "Bewegung Palikots" (Ruch Palikota) durch ein klar antiklerikales Gesellschaftsprogramm die Stimmen der unzufriedenen linken Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen.
Referent: Kamil Majchrzak, Redakteur der polnischen Edition der LE Monde Diplomatique
Moderation: Janeta Mileva