Junge Panke
Die Vorstellung einer romantischen Liebe, einer alle Schranken und gesellschaftlichen Beschränkungen überwindenden, auf das Absolute zielenden Einheit zweier Menschen als Liebende, unzertrennbar und erfüllend, hat sich für das Subjekt der Postmoderne und zumal des Postfordismus gewandelt in die Vorstellung der Unendlichkeit der Liebesbeziehung als Arbeit: Fortwährende Beziehungsarbeit, Paar-Therapien, eine Vielzahl von Mutter- wahlweise Vater- oder Eltern-Kind-Magazine, Sex-Ratgeber, Ratgeber, die meinen aufklärerisch posaunen zu müssen „Männer sind besser als ihr Ruf!“, Ratgeber, die aufmunternd den Widerspruch zwischen „Kind oder Karriere“ durch Tipps zur Selbstdisziplinierung und eigenem Zeit-Management versöhnen wollen: Dies sind alles Instrumente und Wege, den Bereich trauter Zweisamkeit, so schön und zärtlich er sich auch gestaltet, zweckmäßig, ökonomisch und nachhaltig bewältigen zu können.
Dabei empfahl das fröhlich-ernste „Love is the answer!“ der 68er-Bewegung doch in bester antibürgerlicher Haltung noch das Wegfallen aller Grenzen bürgerlicher Sexualborniertheit und Schamhaftigkeit und setzte auf das utopische Moment einer selbstbestimmten und -verantworteten Sozialbeziehung, die ausnahmsweise nicht den gesellschaftlich auferlegten Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnissen konform verlaufen sollte. Dass die Liebe überhaupt mit so großen Begriffen wie Freiheit, Emanzipation, Individualität und Glück in Zusammenhang gebracht wird, ist wiederum ein zeitlich-historisches Phänomen, das mit der Herausbildung und Etablierung des aufgeklärten Bürgertums im ausgehenden 18. Jahrhundert einhergeht. Das bürgerliche Glücksversprechen von Freiheit und der Unbedingtheit körperlicher Leidenschaften infiltrierte schließlich aber noch das Modell der Freien Liebe der 68er.
Welche gesellschaftlichen Mechanismen durchwirken nun den vermeintlichen Schutzraum „Beziehung“, und inwieweit haben all die widerständig gedachten Vorstellungen der 68er Revolte — von „Das Private ist Politisch“ bis „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ — dieselben gesellschaftlichen Mechanismen affirmiert, die das Bürgertum zu seiner Selbstvergewisserung benötigt? Welchen theoretischen Bezugsrahmen hatte die Kritik der 68er, wie wurde sie in Kommunebewegung, Promiskuitätsverdikt und neuer Sexualmoral praktisch, und welche Formen nahm sie im Laufe der linken und liberalen Bewegungsgeschichte, wie sie z.B. die Kritik der romantischen Zweierbeziehung (RZB) oder die Vertreterinnen der Polyamoriebewegung vornehmen, an? Während des Wochenendseminars wollen wir zusammen diesen Fragestellungen nach dem utopischen Gehalt der bürgerlichen wie antibürgerlichen Liebesvorstellung sowohl in seiner theoretischen Grundlegung in der Romantik, als auch in den praktischen Forderungen und Auseinandersetzung der 68er wie auch heute nachgehen und sie anhand einzelner Texte diskutieren.
Teamerinnen: Raphael Cuadros und Birgit Ziener (Junge Panke)