Junge Panke
Als vor zwanzig Jahren MAUS – A Survivor’s Tale von Art Spiegelman erschien, ahnte niemand, dass damit im Comic eine große Wende einsetzen würde: mit der Graphic Novel begann sich ein literarisches Format durchzusetzen, das neue Stoffe, Biographien, historische Ereignisse und politische Kämpfe zeigen konnte. Doch diese Entwicklung bleibt zwiespältig, löste sie nicht zuletzt – wie auch in Art Spiegelmans Werk – die underground comix ab, deren Ablehnung der gesellschaftlichen Verhältnisse drastisch zum Ausdruck kam. Mit der Graphic Novel ist der Comic von einem Medium proletarisierter Erfahrung aufgestiegen zum Medium der mittelständischen, postfordistisch differenzierten Subjektivität. Die Freiheit des Erzählens, die in der Loslösung von den eng gesteckten Genregrenzen der Comic-Hefte mit ihren Superhelden, Horror-Stories und Western-Schmonzetten sicherlich steckt, geht mit einer strukturellen Bejahung des gesellschaftlichen Status Quo einher, so sehr der im einzelnen kritisiert werden mag. Art Spiegelman beispielsweise revidierte in seiner komplexen Bildsprache mit MAUS den von (nationalsozialistischen) Fotografien dominierten Blick auf den Holocaust und stellte so eine direkte Intervention gerade in den deutschen Erinnerungsdiskurs dar. Dies geht mit einem expliziten Rückgriff auf low brow-Formen wie den Tiercomic einher, der zu mancher Kontroverse geführt hat. Die Strategien des politisch-subversiven Comics sollen in dem Gespräch mit Ole Frahm im Zentrum stehen.
Referent: Ole Frahm, Comicforscher und Gründungsmitglied der Arbeitsstelle für Graphische Literatur (ArGL) an der Universität Hamburg, er ist Autor von "Die Sprache des Comics" und "Genealogie des Holocaust. Art Spiegelmans MAUS - A Survivor`s Tale"
Moderation: Birgit Ziener