Vielfalt sozialistischen Denkens
Nach Vorläufern im britischen Freidenkertum und im utopischen Denken des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurden in den 1920er Jahren vor allem von Sozialisten Wissenschafts- und Technikvisionen entwickelt, die eine "Verbesserung" und letztlich Überwindung menschlicher Leiblichkeit in Aussicht stellen. Von Desmond Bernals 1929 erdachtem "mechanischen Menschen" führt der Weg zum Transhumanismus unserer Tage, der zwar oft noch religionskritisch und politisch progressiv auftritt, sich aber vor allem in Kernmilieus des US-Informationskapitalismus und auf Basis eines starken Individualismus entfaltet.
Aus historischer wie aktueller Perspektive stellt der Transhumanismus eine Herausforderung sowohl für sozialistisches als auch für utopisches Denken dar, weil er nicht nur im Einklang mit starken kulturellen Tendenzen unserer Zeit steht, sondern auch die gesellschaftlichen Diskurse über Bio-, Informations-, Nano- und Neurotechnologien und über die "Zukunft der menschlichen Natur" stark beeinflusst. Die Auseinandersetzung mit dem Transhumanismus hat trotz der Seltsamkeit vieler seiner Visionen das Potenzial, zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von gesellschaftlichem und naturwissenschaftlich-technischem Fortschritt beizutragen.
Referent: Christopher Coenen, Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (KIT-ITAS)
Moderation: Frank Engster