Philosophische Gespräche
Die beiden Interviews, die der Sozialphilosoph Max Horkheimer in den letzten Jahren seines Lebens in seinem Haus in Montagnola (Schweiz) dem "Spiegel" gegeben hat, wurden nach ihrem Erscheinen 1970 und 1973 als Dokumente einer konservativen Wende oder gar des geistigen Verfalls des Mitbegründers der Kritischen Theorie wahrgenommen. Die politischen Positionen, die Horkheimer darin vertrat, etwa seine Sympathie mit der Haltung der Katholischen Kirche zur Pille und seine Verteidigung des bürgerlichen Frauenbildes, wurden mit Befremden registriert.
Der Vortrag soll die Geschichte der Interviews aus einer anderen Perspektive erzählen: Eine Rekonstruktion der postnazistischen Netzwerke des "Spiegel", der obsessiven Begeisterung seines Herausgebers Rudolf Augstein für den Lieblingsfeind der Kritischen Theorie, Martin Heidegger, sowie der Fortschreibung der militant rechten Traditionen des Blattes in seiner Parteinahme für die Studentenbewegung ermöglicht es, die "Spiegel"-Gespräche als Dokumente fundamentaler Missverständnisse zu verstehen, die symptomatisch für die Bundesrepublik der Zeit nach 1968 sind und in Horkheimers "Konservatismus" die unverbrüchliche Treue zu Grundideen der Kritischen Theorie erkennen lassen.
Referent: Dr. Magnus Klaue (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Simon-Dubnow-Institut, wo er das Forschungsprojekt: Ein letzter Bürger. Eine intellektuelle Biografie Max Horkheimers erarbeitet)