Geschichte
Die fundamentale Transformation von Staat, Politik und Gesellschaft in Ungarn seit dem Wahlsieg Viktor Orbáns und seiner Fidesz-Partei im April 2010 spiegelt sich auch im Erinnerungsdiskurs und der offiziellen Geschichtspolitik wieder. Die auf diesem Feld bisher dominierende rechtsextreme Jobbik-Partei hat Orbán mit seiner aggressiven Diskurs-Hegemonisierung und populistischen Mobilisierungspolitik mittlerweile rechts überholt. Auf dem Weg zu dem von Orbán proklamierten illiberalen Staat werden historische Referenzpunkte und Vorbilder wieder hoffähig gemacht, die in einem demokratischen Rechtsstaat als geschmacklos und unerträglich empfunden würden. Das propagierte völkisch-nationalistische Welt- und Geschichtsbild zeigt sich in der Präambel des ungarischen Grundgesetzes, in den inszenierten Skandalen im ungarischen Holocaust-Gedenkjahr 2014 ebenso wie in der staatlichen Auszeichnung eines bekannten antisemitischen Hasspredigers oder in den jüngsten Hetzkampagnen der Orbán-Regierung gegen die Flüchtlingspolitik der EU. Orbáns neulich geäußerte Unterstützung für den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump deutet auf eine weitere Radikalisierung hin.
Referent: Bernd-Rainer Barth (Historiker und Publizist)
Moderation: Dr. Inge Münz-Koenen