10. Marx Herbst-Schule
Familie ist im Neoliberalismus auch in industriellen Gesellschaften wieder zu einer nahezu alternativlosen emotionalen, ökonomischen und gesellschaftlichen Struktur geworden. Angesichts der zunehmenden staatlichen Kürzungen von Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbudgets erscheint Familie als universeller Ersatz zum Wohlfahrtsstaat des 20. Jahrhunderts.
Melinda Cooper analysiert am Beispiel der USA, wie Familienwerte entscheidend für die konservative und liberale Marktrevolution der 1980er Jahre wurden und warum sie auch heute das politische Leben so stark beeinflussen. Warum sind sich neoliberale Demokraten so oft mit sozialkonservativen Republikanern in der Familienfrage einig trotz ihrer Unterschiede zu allen anderen Fragen?
Melinda Cooper formuliert damit gleichzeitig das Verhältnis von Akkumulationsregimen und Reproduktionsverhältnissen neu. Nicht zuletzt stellt sie die neoliberale Idee des atomisierten Individuums in Frage und verweist demgegenüber auf das Verschwinden sozialer Mobilität und der Widerkehr von Schuldknechtschaft, Erbschaft und familiären Netzwerken.
Der Neoliberalismus, so argumentiert sie, muss als Versuch verstanden werden, das elisabethanische Armengesetz in der zeitgenössischen Sprache der Verschuldung der Haushalte wiederzubeleben und zu erweitern.
In der Geschichte der amerikanischen Armengesetzgebung vollzieht Cooper nach, wie das liberale Ethos der persönlichen Verantwortung immer mit einem umfassenderen Imperativ der familiären Verantwortung verknüpft war, und wie dieser insbesondere gegenüber african americans, aber auch alleinerziehenden Müttern als Ausschluss von Leistungen geltend gemacht wurde. Nur wenn wir die Frage der Familie in eine Kritik der politischen Ökonomie einbeziehen, können wir die zentrale politische Allianz unserer Zeit zwischen Liberalismus und Sozialkonservatismus verstehen.
Prof. Dr. Melinda Cooper wird in ihrem Vortrag mit und zugleich gegen Marx dem Verhältnis von ökonomischer und biologischer Reproduktion auf den Grund gehen.
Moderation: Felicita Reuschling
Der Vortrag ist auf Englisch. Es steht eine Simultanübersetzung ins Deutsche zur Verfügung.
Die Abendveranstaltung findet im Rahmen der diesjährigen 10. Marx-Herbstschule statt. Sie wird organisiert von Helle Panke e.V. in Kooperation mit dem Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition[1], der Rosa Luxemburg Stiftung[2], der Gruppe TOP B3rlin[3] und dem ...umsGanze!-Bündnis[4].