Junge Panke
"Das Lager ist schlicht der Ort, an dem sich der höchste Grad der conditio inhumana verwirklicht hat, die es auf Erden je gegeben hat, [doch] das Lager ist nicht als eine Anomalie anzusehen [ ], sondern in gewisser Weise als verborgene Matrix [ ] des politischen Raumes, in dem wir auch heute noch leben." (Homo sacer, 175)
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben gilt als einer der entschiedensten, aber auch umstrittensten Nachfolger Michel Foucaults. Insbesondere das von Agamben seit 1995 diskontinuierlich verfolgte Homo sacer-Projekt, in dessen Zentrum das "nackte Leben" (vida nuda) steht, denkt Foucaults Biopolitik radikal weiter. Die aus dem römischen Recht entlehnte Figur des Homo sacer spielt mit der lateinischen Doppelbedeutung von sacer als zugleich heilig und ausgestoßen. Ihr zugrunde liegt die auch für Foucault bedeutsame Unterscheidung zwischen bíos und zoé, zwischen dem Menschen als vergesellschaftetem Vernunftwesen (bíos) und seiner "nackten" physischen Existenz (zoé).
Für Foucault und Agamben wird dieses physische Leben in der Moderne zum Objekt staatlicher Biopolitik, die als Biomacht ihre Herrschaft nicht länger territorial, sondern über die Körper der Subjekte regelt. Foucaults Konzept moderner Biopolitik fortschreibend versteht Agamben Biomacht als die Herrschaft des Souveräns über das nackte Leben des Individuums, das diesen jederzeit in einen Homo sacer verwandeln kann. Seinen paradigmatischen Ort findet der heilige/ausgestoßene Mensch in den rechtsfreien Räumen von Auschwitz, Guatanamo und Abu Ghraib, in denen die nackte Macht über das nackte Leben herrscht. Der gemeinhin als Ausnahme etikettierte Zustand ist für Agamben jedoch nur der sichtbare Ausdruck der gegenwärtigen Normalität und das Lager wird ihm zur Chiffre moderner Herrschaft.
Nach einer kurzen Einleitung in den Werkkontext von Foucault und Agamben werden wir uns am ersten Tag mit Agambens Figur des homo sacer und ihren aktuellen politischen Bezügen beschäftigen; hierbei soll es auch um die Kritik an Agambens Konzept gehen. Am zweiten Tag steht dann Foucaults Biopolitik/Biomacht im Mittelpunkt. Textauszüge aus Agambens Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben (Suhrkamp 2002) sowie aus Michel Foucaults Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I (Suhrkamp 1983 u.ö.) werden vorab zur Verfügung gestellt.
Referentin: Prof. Dr. Hania Siebenpfeiffer
Organisation: Fabian Kunow