Extreme Rechte
Am 14. Mai jährt sich zum vierzigsten Mal ein Brandanschlag mit sechs Toten in Mailand. Zwei Männer entzündeten damals zwanzig Liter Benzin in einem mit dreißig Personen besetzten Pornokino. Sechs Männer sterben. Es ist die Tat mit den meisten Opfern der „Gruppe Ludwig". In Bekennerschreiben bekennt sich diese „Gruppe Ludwig" zu insgesamt neun Morden und Brandanschlägen in Italien und Deutschland. In diesen Schreiben verwendet sie nazistische Symbole wie Reichsadler und Hakenkreuz und gibt politische und religiös-ideologische Begründungen, warum ihre Opfer den Tod verdient hätten. Für die Taten der „Gruppe Ludwig" werden nach einem gescheiterten Brandanschlag auf eine Disko schließlich zwei Studenten aus reichen Elternhäusern verurteilt.
Die Opfer der Mord- und Anschlagsserie, die zwischen 1977 und 1984 insgesamt 15 Menschen – Sinto, Schwule, Sexarbeiter*innen, Drogenkonsumenten, Priester sowie Sexkino- und Diskothekenbesucher*innen – in Norditalien und in München das Leben kostete, sind bis heute nur selten Teil des Gedenkens an die Kontinuitäten rechten Terrors und seiner Analyse. Die Veranstaltung ruft die Geschichte in Erinnerung und begibt sich damit auch auf eine Spurensuche nach der Rolle extrem rechter Sexualmoral, patriarchaler Geschlechtervorstellungen und der vermeintlichen Bekämpfung von „Sittenverfall", „Dekadenz" und „Unreinheit" durch Rechtsterrorismus.
Wie beim NSU stellen sich bis heute ähnliche Fragen: Bestand die "Gruppe Ludwig" nur aus diesen zwei sehr jungen Terroristen, oder gab es ein Mitwisser- und Unterstützer-Netzwerk, dass in die Taten eingeweiht war?
Warum suchte die Polizei die Täter im Umfeld der Opfer, statt einem rechtsextremen Tatmotiv nachzugehen? Wie sollte die Gesellschaft die Taten einordnen und ihrer Opfer gedenken?
Darüber wollen wir nach einer Einführung in die Geschichte der "Gruppe Ludwig" mit Eike Sanders sprechen. Sie ist Sozialwissenschaftlerin, Mitglied des Autorinnenkollektivs Feministische Intervention (AK Fe.In) und des Netzwerkes NSU-Watch. Zusammen mit dem Historiker Thomas Porena recherchiert und publiziert sie seit 2020 zur "Gruppe Ludwig".
Moderation: Fabian Kunow
Zum Hintergrund der "Gruppe Ludwig" hat unser Kollege Fabian Kunow einen Beitrag für die Wochenendausgabe des ND verfasst. Hier[1] zu lesen.