Seniorenklub
Polen steht vor einer Wahl, die viele im Lande als Schicksalswahl verstehen: Kann sich die rechtskonservative Regierungspartei PiS eine dritte Legislaturperiode sichern? Deren Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski hat die Parole ausgegeben, die Wähler*innen sollten der Regierung das Mandat erteilen, die „eingeleiteten Veränderungen unwiderruflich zu machen“. Ganz wie einst Parteichef Wladyslaw Gomulkas erklärte, „die einmal errungene Macht nie wieder aus der Hand zu geben“. Zufall? Polens liberale Opposition sieht das Land auf dem Weg in den Autoritarismus nach ungarischem oder - kommt in Polen immer gut - russischem Vorbild.
Auch in Brüssel dürfte man mit einiger Nervosität auf die Entwicklung in Polen schauen. Schließlich hat die PiS reihenweise und geradezu genüsslich EU-Recht missachtet. Ihr missfällt die ganze Tendenz der europäischen Integration, sie will zurück zu einem losen Bündnis unabhängiger Nationalstaaten. Der rechte Parteiflügel um Justizminister Zbigniew Ziobro nimmt offen Partei für einen polnischen EU-Austritt nach britischem Vorbild. Aber erst nach dem Ende der laufenden Finanzperiode, in der Polen noch hohe Zuschüsse aus Brüsseler Fördertöpfen zustehen.
Mit denen wäre es aber sowieso vorbei, wenn Polens eifriges Eintreten für den EU-Beitritt der Ukraine Früchte tragen sollte. Denn damit würde das gesamte Finanzgefüge der EU, wie wir es kennen, umgekrempelt, Polen würde ohnehin Nettozahler. Genau das würde dann die EU der bisher überwiegend EU-freundlichen polnischen Bevölkerung unsympathisch machen und so Ziobro und seinen Anhängern in die Hände spielen.
Letztlich dürfte die Entscheidung über Polens Verbleib in der EU in Washington fallen. Wenn den USA - wofür einiges spricht - nach dem Austritt Großbritanniens am Erhalt wenigstens eines politischen U-Boots innerhalb der EU gelegen ist, wird es wohl bei Drohungen mit dem Austritt bleiben. Aber Polen wird zunehmend unvorhersehbar.
Referent: Reinhard Lauterbach, Jahrgang 1955, lebt in Polen, seit 2013 Osteuropakorrespondent für verschiedene Print- und Onlinezeitungen; vorher lange Zeit Redakteur bei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten; Studium Geschichte und Slawistik in Mainz, Kiew und Bonn
Moderation: Dr. Joachim Poweleit