Dienstag, 22. März 2011, 10:00 bis 18:00, Pfefferberg, Haus 13, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin

Soziale Wohnungspolitik für Berlin

Segregation verhindern, Bevölkerungsvielfalt in den Wohnquartieren erhalten!

Mit Blick auf München und andere deutsche Großstädte lässt sich erahnen, dass die soziale Polarisierung der Gesellschaft und die Mietpreisentwicklung in Teilen der Innenstadt zu einer zunehmenden sozialräumlichen Verdrängung und Ausgrenzung führen. Die rot-rote Koalition hat in Berlin mehrere parlamentarische Initiativen ergriffen, damit Mieten bezahlbar bleiben, staatliche Förderung gezielt bei den MieterInnen ankommt und Kietze stabilisiert werden. Der räumlichen Verfestigung von Armut und Ausgrenzung entgegen zu wirken, bleibt aber eine immer größer werdende Herausforderung linker Stadtpolitik in Berlin in den nächsten Jahren.

Auf der Konferenz sollen die aktuellen Segregationstendenzen in einigen Kietzen Berlins diskutiert und mit anderen deutschen Großstädten verglichen werden. Mit Gästen aus München und Wien wollen wir erörtern, welche Maßnahmen bisher dagegen ergriffen wurden und wie wirksam sie waren. Wir entwickeln Anforderungen an eine neue soziale Wohnungspolitik gemeinsam mit Vertretern aus der Politik, aus den Berliner Mieter- und Vermieterverbänden, den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, Stadtsoziologen und Interessierten.

Programm

10.30 Uhr Begrüßung durch Prof. Dr. Klaus Steinitz, Vorsitzender Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin

10.45 Uhr Einführung und Bilanz Rot-Roter Wohnungspolitik in Berlin, Dr. Klaus Lederer, Landesvorsitzender DIE LINKE Berlin

11.00 Uhr "Berlin am Scheideweg zwischen Sozialer Spaltung und Sozialer Metropole", Podiumsdiskussion mit Katrin Lompscher (Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin), Dr. Wolfgang Förster (Bereichsleiter für Wohnungsbauforschung und Gebietsbetreuung in der Wiener Stadtverwaltung) Beatrix Zurek (1. Vorsitzende des Mietervereins München e.V.) und Christoph Frey (DGB München und 2. Vorsitzender des Mieterverein München e.V.).

Berlin ist auf dem Weg zur gespaltenen Stadt: Steigende Mieten in fast allen Bezirken, Verdrängungsprozesse in den Innenstadtquartieren und eine Neubautätigkeit, die sich fast ausschließlich am Hochpreissegment orientiert. Ein 'weiter so' der Wohnungspolitik führt geradewegs in eine verstärkte sozialräumliche Spaltung der Stadt. Mit Blick auf München und Hamburg lässt sich erahnen, wohin die Entwicklung führt und welche sozialen Probleme damit für die Stadtentwicklung verbunden sind. Dass solche Entwicklungen nicht alternativlos sind, zeigt die Stadt Wien, in der seit Jahrzehnten am Konzept eines sozial orientierten Gemeindewohnungsbaus festgehalten wird. Mit Gästen aus München, Hamburg und Wien wollen wir über Gefahren der städtischen Spaltung und über die wohnungspolitischen Instrumente für eine Soziale Metropole des 21. Jahrhunderts diskutieren.

Moderation: Uwe Doering, Parlamentarischer Geschäftsführer, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin

12.30 Uhr Mittagspause

13.15 Uhr Workshops zur Erarbeitung von Strategien und Maßnahmen zur Bekämpfung von Segregation:

1.) Wie weiter nach dem Auslaufen des Sozialen Wohnungsbaus? Workshop mit: Volker Esche (Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V., Bereich Wohnungswirtschaft/-politik), Dr. Matthias Schindler (Berolina Beteiligungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft mbH), Vertreter der Investitionsbank Berlin Brandenburg (IBB)

Der rot-rote Senat ist 2003 aus der immens teuren Förderung des Sozialen Wohnungsbaus nach altem West-Berliner Modell ausgestiegen. Denn dieser förderte die Eigentümer. Die Sozialmieten hingegen liegen heute teilweise über dem allgemeinen Mietniveau. Dadurch erfüllt der Soziale Wohnungsbau seinen Zweck schon lange nicht mehr, nämlich Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, zu unterstützen. In dem vom Senat vorgelegten ersten Entwurf eines Wohnraumgesetzes wird auf Belegungsbindungen in großem Stil verzichtet, um im Gegenzug die Mieten auf Mietspiegel-Niveau zu drücken. Ist dies ein Weg, der von der LINKEN unterstützt werden kann? Welche Alternativen wären denkbar? Wie könnte eine neue Förderung aussehen, mit der die Bundesmittel in Berlin sinnvoll eingesetzt werden?

Moderation: Jutta Matuschek (haushalts- sowie verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus)

2.) Zwangsumzüge verhindern. Angemessener Wohnraum für alle Leistungsbeziehenden; Workshop mit: Andrea Dräger (Rechtsanwältin), Rainer Maria Fritsch (Staatssekretär für Soziales), Reiner Wild (Hauptgeschäftsführer Berliner Mieterverein e.V.)

Die Berliner Ausführungsvorschrift (AV) Wohnen hat lange Zeit gewährleistet, dass Transfergeldempfangende in der Regel in ihren Wohnungen verbleiben konnten. Damit wurde Segregation verhindert und die Bevölkerungsvielfalt in den Wohnquartieren erhalten. Doch konnte die AV Wohnen den Veränderungen am Wohnungsmarkt nicht angepasst werden und sie entspricht auch nicht mehr den höchstrichterlichen Entscheidungen. Weitere Verschlechterungen stehen durch die SGB II- Reform an. Zunehmend erleben wir die Verdrängung von Transferleistungsempfangenden vor allem in den Innenstadtbezirken. Welche Wege müssen wir unter den neuen Bedingungen des SGB II einschlagen, damit Menschen die auf staatlichen Hilfen angewiesen sind, in ihren Wohnungen bleiben und in allen Bezirken Wohnungen anmieten können? Was sind angemessene Wohnkosten, wie werden sie berechnet und welche Restriktionen legt uns das Bundesrecht auf? Wie können wir weitere Segregation vermeiden?

Moderation: Elke Breitenbach (integrations- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus)

3.) Öffentliche Wohnungsunternehmen; Workshop mit: Dipl.-Kaufm. Frank Bielka (Staatssekretär a. D., Vorstand der DEGEWO AG), Dr. Wolfgang Förster (Bereichsleiter für Wohnungsbauforschung und Gebietsbetreuung in der Wiener Stadtverwaltung), Dr. Bärbel Grygier (Bezirksbürgermeisterin a.D., Mitglied des Aufsichtsrates der DEGEWO AG)

Berlin verfügt mit rund 15 Prozent städtischen Wohnungen über Möglichkeiten einer wohnungs- und sozialpolitischen Steuerung. Verhalten sich die Städtischen Unternehmen im angespannten Berliner Wohnungsmarkt mehr und mehr marktkonform? Wie könnten die Städtischen Wohnungsunternehmen künftig wieder stärker ihre Aufgabe wahrnehmen, Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung anzubieten? Schließlich gestalten Städtische Gesellschaften durch ihre Vermietungspolitik sozialräumliche Prozesse und können zu einer sozial gemischten Stadt ihren Beitrag leisten. Welche Praxiserfahrungen können aus anderen Großstädten für Berlin herangezogen werden? Erwartet der Senat eine Rendite für den Landeshaushalt oder eine Stadtrendite? Angesichts der bevorstehenden Wohnungsknappheit stellt sich zudem die Frage, ob die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wieder neu bauen müssen.

Moderation: Uwe Doering (bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus)

4.) Alternative Wege für eine soziale Wohnungsversorgung. Workshop mit: Helma Haselberger, Aktivistin beim Mietshäuser Syndikat (Netzwerk selbstorganisierter Wohnprojekte) Weiterhin nehmen am workshop teil: Christian Schöningh (Architekt, Berlin) und Dr. Barbara König (Genossenschaft Bremer Höhe, Berlin), Moderation: Andrej Holm

Klassische wohnungspolitische Instrumente wie der Soziale Wohnungsbau oder die kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind zur Zeit nicht in der Lage, eine Versorgung mit dauerhaft preiswerten Wohnungen anzubieten und sind auch gegenüber alternativen Wohnformen und Lebensmodellen oft unflexibel. In dem Workshop sollen alternative Wege für die Produktion, Verteilung und Bewirtschaftung eines sozialen Wohnungssektors diskutiert werden. Fragen, die sich dabei stellen: Wie können Segmente einer sozialen Wohnungsversorgung dauerhaft aus den Markt- und Verwertungslogiken befreit werden? Unter welchen Bedingungen können preiswerte Wohnungen neu gebaut werden? Wie sehen Bewirtschaftungsmodelle aus, in denen die Bewohner/innen über die Weiterentwicklung ihrer Wohnanlagen bestimmen?

Moderation: Andrej Holm (Stadtsoziologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der AG Stadtforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)

15.30 Uhr Kaffeepause

16.00 Uhr Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops und Debatte zu den wohnungspolitischen Forderungen der LINKEN Berlin mit Harald Wolf (Senator Wirtschaft Technologie und Frauen)

Moderation: Wenke Christoph (Geografin, Koordinatorin AK Linke Metropolenpolitik, Vorstand Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Gemeinsame Veranstaltung mit der Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin

Die Konferenz wurde durch die Senatsverwaltung als Bildungsveranstaltung gemäß §11 Berliner Bildungsurlaubsgesetz anerkannt. Berechtigte haben zur Veranstaltungszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit/Ausbildung. Nähere Informationen erteilt die „Helle Panke“ unter info@helle-panke.de[1] oder 030-47538724. Die Teilnahmegebühr beinhaltet ein Mittagessen und beträgt 5 ¤. Leistungsempfänger, die einen Kostennachlass wünschen, melden sich bitte unter felix.lederle@die-linke-berlin.de[2]. Um Anmeldung wird gebeten unter http://www.helle-panke.de[3]

Bernd Kammer schrieb im ND vom 23.3.2011 über die Konferenz:

Mieten bleiben stabil – in Wien. Berliner Linkspartei diskutiert Wohnungspolitik und streitet mit der SPD.

Bernd Kammer

»Das ist ja wie im Märchenland«, wunderte sich Jutta Matuschek, stellvertretende Fraktionschefin der LINKEN im Abgeordnetenhaus. Gerade hatte Wolfgang Förster von der Wiener Stadtverwaltung erklärt, wie in seiner Stadt soziale Wohnungspolitik funktioniert. Förster nahm gestern an einer Konferenz teil, die die Linksfraktion gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu diesem Thema veranstaltete.

In Wien gehören etwa die Hälfte aller Mietwohnungen kommunalen bzw. gemeinnützigen Gesellschaften, in Berlin 25 Prozent. Bei bestehenden Mietverhältnissen können in Wien die Mieten nicht angehoben werden, jedes Jahr werden tausende von der Stadt geförderte Wohnungen neu errichtet. Für diese gilt eine vom Justizministerium jährlich festgelegte Richtwertmiete von derzeit fünf Euro pro Quadratmeter netto/kalt. Umzüge und damit Neuvermietungen als einzige Quelle von Preissteigerungen finden kaum statt (fünf Prozent jährlich, Berlin zehn- bis zwölf Prozent), Wohnungen können sogar vererbt werden. Die Gelder für die Förderungsprogramme kommen größtenteils aus Bundesmitteln, die Stadt stellt die Grundstücke und verkauft sie zum Selbstkostenpreis an die Investoren.

Die LINKE hätte einige Aspekte am liebsten gleich in ihr Wahlprogramm übernommen, aber sie kennt die Haushalts und die Rechtslage. Im Bundesrat ist der Senat mit seiner Initiative laut Landeschef Klaus Lederer gescheitert, die Möglichkeiten für Mietsteigerungen nach Modernisierung und in bestehenden Wohnverhältnissen zu begrenzen.

»Den Wiener Dreiklang aus starker Mietreglementierung, öffentlicher Förderung und Kontinuität in der Wohnungspolitik haben wir in Berlin nicht«, konstatierte Umweltsenatorin Katrin Lompscher. Trotzdem müsse man alles, was irgendwie mietdämpfend wirke, nutzen.

Doch da entwickelt sich im Wahlkampf ein neues Konfliktfeld mit dem Koalitionspartner. Beispiel Kündigungsschutz bei Umwandlung in Eigentumswohnungen. Im August läuft die Verordnung aus, wonach bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen die Mieter sieben Jahre vor Kündigung wegen Eigenbedarfs und Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung geschützt sind. Die LINKE möchte die Regelung angesichts der angespannten Wohnungslage auf zehn Jahre ausdehnen, die SPD und insbesondere ihre Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer bei sieben Jahren belassen oder sogar auf fünf reduzieren. Zudem will die LINKE die Verordnung, die derzeit nur für Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf gilt, auf alle Innenstadtbezirke plus Treptow-Köpenick ausdehnen. Uwe Doering, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, erhofft sich eine Privatisierungsbremse.

»Bei einer vermieteten Wohnung weiß der Erwerber, was auf ihn zukommt.« Auch der Berliner Mieterverein fordert eine Ausweitung des Mieterschutzes. »Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bedeutet für den Mieter das höchste Risiko des Wohnungsverlustes«, so Geschäftsführer Reiner Wild. Allein zwischen 2004 und 2009 seien 30 000 Wohnungen umgewandelt worden. Aktuell droht dieses Schicksal beispielsweise den noch unsanierten Wohnungen der Karl-Marx-Allee.

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Uwe Rada schrieb in der TAZ vom 23. 3. 2011 unter dem Titel "Linke mietet Ideen von außen. Auf einem Kongress blickt die Linke über den Tellerrand. München soll zeigen, wie man es nicht macht – und Wien, wie man’s macht" u.a.: "So viel Nichtberliner Dialekt ist selten bei der Linken. Auf dem Podium der Konferenz „Soziale Wohnungspolitik für Berlin“ saßen neben dem linken (und berlinernden) Wohnungspolitiker Uwe Doering gleich zwei Vertreter mit unverkennbar südlichem Idiom – die Münchnerin Beate Marschall und der Wiener Wolfgang Förster. Der Blick über den Tellerrand war Programm."

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Christian Linde schrieb in der Jungen Welt vom 24.3.2011:

Es gibt Schlimmeres. Rendite, moderate Mieten, Wohnungsneubau: Linkspartei und Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutierten über Situation und Zukunft der Mieterstadt Berlin

Christan Linde

Im Artikel heißt es u.a.: "Wie redet man sich die eigenen Verhältnisse schön? Man verweist zunächst auf abschreckende Beispiele, ehe man sich die eigene Lage vergegenwärtigt. Ein Rezept, das sich vor allem anbietet, wenn man über die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt sprechen will. So geschehen am Dienstag abend, als die Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Fachkonferenz eingeladen hatte. Unter dem Motto »Soziale Wohnungspolitik für Berlin – Segregation verhindern, Bevölkerungsvielfalt in den Wohnquartieren erhalten!« diskutierte die Regierungspartei knapp, sechs Monate vor dem Wahltermin mit Experten über Perspektiven der Mieterstadt Berlin. Und um die ist es nicht gut bestellt. Die Mieten steigen, preisgünstige Wohnungen werden knapp und der Mietwohnungsbau ist praktisch zum Erliegen gekommen. Die durchschnittliche Bruttokaltmiete liegt mittlerweile bei 6,35 Euro pro Quadratmeter, bei den Neuvermietungsmieten ist seit 2004 ein Anstieg um 17 Prozent zu verzeichnen, und die Mietbelastungsquote, also der Anteil des Einkommens, der für die Miete aufgebracht werden muß, hat sich weiter erhöht. Im Durchschnitt müssen die Haushalte in der Hauptstadt 23,6 Prozent ihres Einkommens für die Miete berappen. Bei Menschen mit niedrigerem Einkommen liegt die Quote bei bis zu 40 Prozent und mehr."

Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin

Links:

  1. info@helle-panke.de
  2. felix.lederle@die-linke-berlin.de
  3. http://www.helle-panke.de
Kosten: 5,00 Euro mit Versorgung

Wo?

Pfefferberg, Haus 13
Christinenstr. 18-19
10119 Berlin