Von: Mark Allinson
Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 129, 2013, 44 S.
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Zum Thema des Heftes referierte der Autor in der Geschichtsreihe der Hellen Panke am 30. Mai 2013.
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Autor:
Mark Allinson
Dr., Jg. 1967, Bristol, United Kingdom
German Department/School of Modern Languages University of Bristol; studierte Französisch und Germanistik an der University of Salford und promovierte mit einer Arbeit über den Aufbau der SED-Macht in Thüringen (19451968) an der University College London.
Forschung und Lehre zur Geschichte Deutschlands und Österreichs, Autor von Politics and Popular Opinion in East Germany, 194568 und Germany and Austria 18142000; weitere Veröffentlichungen u. a. über die NVA in der DDR-Gedächtniskultur und die Planwirtschaft in der DDR. Arbeitet derzeit an einem Buch über die DDR im Jahre 1977, ein 'normales' Jahr der Ära Honecker.
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INHALT
Einleitung
Grundlagen, Ziele und Ursprünge des Parteilehrjahres
Inhalte des Parteilehrjahres
Organisation und Teilnahme
Ideologische Unklarheiten im Parteilehrjahr
Das Ende
Fazit
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LESEPROBE
Inhalte des Parteilehrjahres
Die wiederholten Änderungen des Lehrprogramms des PLJ in den 50er und 60er Jahren spiegelten die rapide wechselnden Prioritäten der Partei aber auch ihre ideologischen Unklarheiten in der Phase des Aufbaus des Sozialismus wider. Erst unter der Führung Erich Honeckers ab 1971 kehrte eine gewisse Routine ein.
Neben einem Sonderprogramm für die höheren Parteifunktionäre, auf das hier nicht weiter eingegangen wird, bestand das erste PLJ-System aus den folgenden Komponenten:
Politische Grundschulen, vor allem für neue bzw. unerfahrene Genossen. Dieser Einjahreskurs beinhaltete die Grundlehren des Marxismus-Leni-nismus, ab 1952 auch die Ergebnisse der 2. Parteikonferenz der SED.
Ein Einjahreskurs für erfahrene Mitglieder über die Biografie Stalins.
Kurse für Anfänger und fortgeschrittene Mitglieder über die Geschichte der KPdSU, jeweils Zweijahreskurse. Erfahrene Genossen studierten neben der offiziellen Geschichte der KPdSU(B) auch Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin.[1]
Ab 1955 gewann die praktische Parteiarbeit in Wirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung für das PLJ-Lehrprogramm, nicht nur weil die Parteiführung das langfristige Überleben des Staates sichern wollte, sondern auch weil die Entstalinisierung frühere ideologische Gewissheiten verwässert hatte. Das PLJ konzentrierte sich fortan eher auf DDR-spezifische Wirtschaftsfragen,[2] wobei die speziellen Gruppen zum Studium der Geschichte der KPdSU bzw. der Arbeiterbewegung aufgelöst wurden. Nur noch die neuen Mitglieder studierten die Grundlagen des Marxismus-Leninismus.[3] In der Folge beschäftigten sich viele PLJ-Gruppen mit den Belangen der Planerfüllung im eigenen Betrieb und vernachlässigten somit das Studium und die Diskussion der breiteren theoretischen Grundlagen der SED-Ideologie.[4]
Der Lehrplan wurde Anfang der 60er Jahre um eine breitere Palette von Kursen erweitert, auch um den Mitgliedern das Gefühl zu geben, sie würden sich weiterentwickeln. Neben allgemeinen Kursen über das SED-Programm und verschiedenen neuen Seminaren zu spezifischen Themen besuchten die meisten Mitglieder Kurse entweder über die Geschichte der Arbeiterbewegung oder über die Wirtschaftspolitik der SED, dies in Verbindung mit dem ab 1963 eingeführten Neuen Ökonomischen System, das den DDR-Betrieben mehr Autonomie im Planungssystem einräumen sollte.[5]
Allerdings häufte sich die Kritik von Seiten einiger Funktionäre und Parteiveteranen, dass die Theorie im PLJ zu kurz kam. Die Schweriner SED-Bezirks-leitung bemerkte beispielsweise, dass die vielen neuen Mitglieder fast gar nichts von den Fundamenten der Partei verstanden.[6] So befanden sich ab 1964 neben den Wirtschaftsfragen auch wieder reine ideologische Fragen auf dem Lehrplan.[7] In den späten 60er Jahren absolvierten die meisten Mitglieder einen Vierjahreskurs über die Geschichte der Arbeiterbewegung.[8] Nach Abschluss dieses Kurses begannen erfahrene Mitglieder das Lehrbuch Die Politische Ökonomie des Sozialismus und seine Anwendung in der DDR zu studieren.[9] Dabei setzte die Parteiführung ab und an die vorgegebenen Themen aus, um die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf aktuelle Fragen zu lenken, so z. B. im April und Mai 1965, als sich die PLJ-Teilnehmer mit dem Staatsbesuch von SED-Parteiführer Walter Ulbricht nach Ägypten beschäftigten.[10]
Erst nach 1971 wurde unter Erich Honecker wie so viele andere Facetten des DDR-Systems auch das PLJ routinisiert und mit dem Rhythmus der Parteitage und Fünfjahrespläne harmonisiert. Anstelle der regelmäßigen Änderungen und Experimente der ersten Jahre beschäftigte sich die Parteiführung mit dem PLJ fortan nur noch im Fünfjahrestakt. Die ideologischen Grundlagen wurden in den 70er und 80er Jahren stärker als in den 60er Jahren betont, dabei spielten aber auch die DDR-Wirtschaft und die Taktik der SED-Führung eine große Rolle im PLJ-Themenplan.
Neben dem Einführungskurs für die Parteikandidaten wurde das PLJ in den Honecker-Jahren in Blöcken von vier Jahren organisiert. Unerfahrenen Mitgliedern wurden die Fundamente des Marxismus-Leninismus vermittelt, während andere spezifische Fragen in Zweijahreskursen studierten: im ersten Zyklus ab 1971 die Geschichte der KPdSU oder die politische Ökonomie des Sozialismus, ab 1973 die Geschichte der SED.
Im Jahre 1975/76 und danach im jeweils ersten Jahr eines Fünfjahresblocks studierten alle Mitglieder nach einem Einheitslehrplan, der normalerweise die Beschlüsse des neuesten SED-Parteitags, die Analyse der internationalen Lage durch die Partei und die aktuellen Wirtschaftsfragen vermittelte.[11] Für die Jahre 19771981 wurden neue Seminare eingeführt, die zumeist vier Jahre dauerten, u. a.: Grundprobleme des revolutionären Weltprozesses und Theorie und Politik der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR.[12] Weil so viele Genossen inzwischen die Fundamente studiert hatten, wurden auch für die Jahre 19821986 und 19871991 neue Seminarreihen als zweijährige Zyklen entwickelt, darunter über die Biographie Ernst Thälmanns und zur aktuellen Bedeutung der Leninschen Theorie über den Imperialismus. Obwohl die Themenauswahl breiter wurde, verfügte das ZK, dass in jedem Jahr einige Themen von allen PLJ-Gruppen behandelt wurden.[13] So konnte das Politbüro sicherstellen, dass seine wesentlichen Botschaften alle Mitglieder erreichten. Der formale Lehrplan wurde auch öfters missachtet, weil aktuelle Ereignisse bzw. Fragen von lokaler Bedeutung in den Gruppen besprochen wurden. So standen beispielsweise 1976/77 in den PLJ-Gruppen der Reichsbahn eher längere Diskussionen über die Auswirkungen der verkürzten Arbeitswoche im Eisenbahnwesen auf der Tagesordnung.[14]
Die SED reagierte auf die Anfänge der Glasnost in der UdSSR mit einer größeren Introvertiertheit und einer bedeutsamen Verengung der Lehrpläne im PLJ. Drei der vier 198789 angebotenen Kurse konzentrierten sich auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik der SED bzw. auf die Rolle der SED in der DDR-Geschichte. Das theoretische Studium der Werke Marx und Lenins und der Geschichte der KPdSU war für 198991 geplant.[15] Bis Anfang 1989 erschien es der Parteiführung wichtiger, die eigenen Verdienste um die DDR zu propagieren und Vorsicht gegenüber der Umstrukturierung in der sowjetischen Partei zu üben. So beschloss das ZK, die laufenden Kurse um ein zusätzliches Jahr zu verlängern, um damit die geplanten Kurse über die KPdSU zu vertagen, jeder Diskussion der UdSSR Mikhail Gorbatschows aus dem Wege zu gehen und die Richtigkeit des SED-Kurses in der DDR zu betonen. Die langjährige Praxis, PLJ-Kurse Jahre im Voraus zu verkünden, wurde aufgegeben: In dieser unsicheren politischen Lage gab das ZK keine Pläne für das PLJ 1990/91 bekannt.[16]
[1] Beschluss des Parteivorstands, 3. Juni 1950, Dokumente der SED, Bd. 3, S.4663. Der Stalinkurs wurde 1951 um ein Jahr verlängert: Beschluss des Politbüros, 7. Aug. 1951, Ebd., S. 537547.
[2] Beschluss des Politbüros, 3. Mai 1955, Dokumente der SED, Bd. 5 (Berlin 1956), S. 297.
[3] Beschluss des Sekretariats des ZK, 10. Mai 1956, Dokumente der SED, Bd. 6 (Berlin 1958), S. 67, 72. Dabei behandelten die höheren Parteifunktionäre weiterhin theoretische Fragen in den Kreisabendschulen: Ebd. S. 72 f.
[4] Analyse über die Ergebnisse des Parteilehrjahres 1956/57 [Karl-Marx-Stadt], 28. Mai 1957, SAPMO-BA DY30/IV 2/9.03-48, Bl. 198.
[5] Parteilehrjahr 1961/1962, 1. Juni 1961, SAPMO-BA DY30/IV 2/9.02-12, Bl. 6873; Beschluss des Politbüros, 14. Mai 1963, SAPMO-BA DY30/J IV 2/2-879, Bl. 47; Zur Behandlung der Vorlage über das Parteilehrjahr 1964/65 im Politbüro, 19. Juni 1964, Anlage, SAPMO-BA DY30/IV A 2/9.03-50.
[6] Protokoll der Bürositzung der SED-Bezirksleitung Schwerin, 9. Aug. 1962, LHAS 10.34-3/235, Bl. 15.
[7] Zur Behandlung der Vorlage ..., 19. Juni 1964, Anlage; Zwischenbericht über die Durchführung des Parteilehrjahres 1961/62, o. D., SAPMO-BA DY30/IV 2/9.03-3, Bl. 70. Die Wiederkehr des theoretischen Studiums wurde im Politbüro-Beschluss vom 25. Mai 1965 bekräftigt: SAPMO-BA DY30/J IV 2/2-987, Bl. 1332.
[8] Ergänzende Information über den Stand des Parteilehrjahres 1966/67, o. D., S. 1, SAPMO-BA DY30/IV A 2/9.03-50; Rundschreiben 02/1, 18. März 1969, SAPMO-BA DY30/J IV 2/2-1220, Bl. 19.
[9] Information über die Teilnahme an den Zirkeln und Seminaren des PLJ 1970/71 ..., o. D., S. 12, SAPMO-BA DY30/IV A 2/9.03-51.
[10] Beschluss des Politbüros, 23. Februar 1965, vgl. Vermerk in einem Bericht ohne Titel, o. D., SAPMO-BA DY30/IV A 2/9.03-50.
[11] Beschluss des Politbüros, 14. Sept. 1971, SAPMO-BA DY30/J IV 2/2-1354, Bl. 1428; Beschluss des ZK-Sekretariats, 26. Feb. 1975, SAPMO-BA DY30/J IV 2/2-2273, Bl. 1315.
[12] Beschluss des Politbüros, 8. Juni 1976, Dokumente der SED, Bd. 16 (Berlin 1980), S. 265273.
[13] Beschluss des Sekretariats des ZK, 23. Juni 1981, Dokumente der SED, Bd. 18 (Berlin 1982), S. 383-394; vgl. z. B. Beschluss des Sekretariats des ZK, 25. Jan. 1989, SAPMO-BA DY30/J IV 2/3-4352, Bl. 7483.
[14] Ministerium für Verkehrswesen, Bericht über die Durchführung des Parteilehrjahres 1976/77 ..., 19. Aug. 1977, S. 5, SAPMO-BA DY30/vorl.SED 19099, Bd. 1.
[15] Beschluss des Sekretariats des ZK, 23. Juni 1981; Beschluss des Politbüros, 3. Juni 1986, Dokumente der SED, Bd. 21 (Berlin 1989), S. 179192.
[16] Beschluss des Sekretariats des ZK, 25. Jan. 1989.