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Heft 134: "Ihr ordinärer Antisemitismus"

Literatur und Publizistik des Exils gegen Antisemitismus und Rassenwahn 1933 - 1939

Von: Dieter Schiller

Heft 134:

Reihe "Pankower Vorträge", Heft 134, 52 Seiten, 3,00 Euro plus Versand

Inhaltsverzeichnis

"Ihr ordninärer Antisemitismus". Antifaschistische Publizistik der dreißiger Jahre gegen Antisemitismus und Rassenwahn

Über einige jüdische Themen in Literatur und Publizistik des Exils. Eine einführende Skizze

LESEPROBE

Einleitend schreibt Dieter Schiller:

"Ihr ordinärer Antisemitismus"

Die antifaschistische Publizistik der dreißiger Jahre gegen Antisemitismus und Rassenwahn

Die publizistische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und Rassenwahn des deutschen Faschismus ist ein ständiges Thema in der Exilpresse. Das trifft auch auf die kommunistisch redigierte zu, die ich vorwiegend ausgewertet habe. Der Leser von heute muss sich freilich dessen bewusst sein, dass für die Zeitgenossen der Jahre zwischen 1933 und 1938 der millionenfache Massenmord, noch dazu in seiner tödlichen Planmäßigkeit und mit seiner industriell betriebenen Vernichtungstechnik, ein unvorstellbarer Vorgang war. Noch dachte man damals in den bekannten Kategorien von Diskriminierung, Ghettoisierung und Pogrom, und schon deren staatliche Institutionalisierung mitten im modernen Europa blieb schwer genug zu begreifen und zu ertragen.

"Ihr ordinärer Antisemitismus" hat Heinrich Mann im Jahr 1933 einen Abschnitt seiner ersten Sammlung von Pamphleten gegen das Naziregime in Deutschland überschrieben. Darin thematisiert er die Judenhetze und Pogrompraxis im Dritten Reich und versucht, wenn auch grobschlächtig, sozialpsychologische Mechanismen bloßzulegen, die den nationalsozialistischen Rassen-Antisemitismus zum Instrument politischer Massenbeeinflussung haben werden lassen. Heinrich Mann, der zu diesem Zeitpunkt der kommunistischen Bewegung noch recht distanziert gegenüberstand, stellte seine Polemik unter einen Leitbegriff, den er auch als Titel des Bandes wählte: "Der Haß".[1] Der spezifische Ansatz seiner politischen Polemik war es, den Hass gegen Gesittung und Geist als "Daseinsgrund" und "treibende Kraft" der Nazibewegung zu begreifen. Unter den Inkarnationen dieses Hasses, die er anführt, hat der Judenhass, der Antisemitismus, seinen besonderen Platz. "Die Deutschen" – schreibt er – "begehen gegen ihre eigene jüdische Minderheit jetzt sogar Handlungen, mit denen sie sich selbst am meisten schaden. Denn sie verfallen der Verachtung, und das ist schlimmer, als wenn man gehasst wird." (S. 94) Aus der Haltung eines Ethikers und Humanisten heraus glaubt er, solche Verachtung werde letzt-lich zur moralischen Vernichtung der Nazis und zur Selbstbesinnung der Deutschen führen.

Realistisch war eine solche Sicht natürlich nicht, denn um Verachtung von außen haben die Naziführer sich selten geschert, solang sie Erfolg hatten – und noch weniger nachher. Ihnen war wichtiger, bei ihren eigenen Leuten die Menschenverachtung einzuüben, wie sie für ihren Terror und ihren Raubkrieg nötig war. Auch zeigt die Argumentation Heinrich Manns, dass ihm das sachliche Gewicht der rassistischen Komponente in der verzerrten Weltsicht der braunen Führungsschicht durchaus noch nicht voll zum Bewusstsein gekommen war. Denn noch konnte er meinen, so viel die deutschen Juden zu leiden hätten, mehr als der deutsche Geist und die deutsche Seele hätten auch sie nicht zu erdulden. (S. 99) Näher kommt er den Dingen dagegen mit der Feststellung, der Antisemitismus verrate einen Fehler im "inneren Gleichgewicht" (S. 95) der Nation. Dieser Fehler – erläutert er seinen Lesern – gründe sich auf die Tradition und die Macht des preußisch-deutschen Militarismus sowie auf die teils gewaltsame, teils manipulative Unterordnung aller Schichten der deutschen Bevölkerung unter die Interessenspolitik des Trustkapitals. Die Nazis – betont er nachdrücklich – würden "dies Volk niemals erobert haben, hätten sie sich nicht des Hasses bedient" (S. 97). Indem er nun versucht, diesen Gedanken auf seine praktischen Konsequenzen hin zu verfolgen, kommt – wenn auch eher andeutungsweise – der Pogrom als eine ständige Institution im Nazistaat ins Blickfeld. Denn "eine heruntergekommene Menge, der erlaubt wird, mit der Qual von Menschen ihren Spaß zu treiben, vergisst darüber auf einige Zeit, dass sie selbst so elend bleibt wie zuvor und dass die zur Macht gelangten Abenteurer ihr im Grund nichts, aber auch gar nichts zu bieten haben" (S. 100).

 

[1] Heinrich Mann: Der Haß, Berlin 1983 (die im Text folgenden Seitenangaben beziehen sich auf diese Ausgabe).

 

  • Preis: 4.00 €
  • Erscheinungsjahr: 2009