Von: Klaus Blessing, Ulrich Busch, Hans Modrow, Frank Thiel, Gunnar Winkler
Reihe "Pankower Vorträge", Heft 155, 2011, A5, 64 S., Preis 3 Euro plus Versand
Inhalt
Vorbemerkung
von Klaus Steinitz
Hans Modrow
Einige Überlegungen zum 20. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD
Ulrich Busch
Eigentumsverhältnisse in Ostdeutschland seit der friedlichen Revolution und der deutschen Vereinigung
Gunnar Winkler
Die deutsche Vereinigung – 1990 bis 2010 Positionen der Bürgerinnen und Bürger
Klaus Blessing
Gibt es einen Ausweg aus der ostdeutschen Misere?
Frank Thiel
Programmatische Diskussion und ein neues wirtschaftspolitisches Leitbild für Sachsen-Anhalt: „Mit wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung“
------------------------------------------------------------------------------------------------------
LESEPROBE
Vorbemerkung
von Klaus Steinitz
Im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag der Vereinigung Deutschlands, die sich als Anschluss der DDR an die Bundesrepublik vollzog, wurde von der Hellen Panke – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin in Kooperation mit dem Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden e.V. ein Workshop zum Thema „20 Jahre Einheit – wie weiter?“ durchgeführt. Die Beiträge waren darauf gerichtet, wichtige Probleme und Ergebnisse des bisherigen widerspruchsvollen Vereinigungs- und Transformationsprozesses in Ostdeutschland zu behandeln. Zugleich sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit es zum Verlauf dieser Entwicklung Alternativen gab und welche Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen sind.
Die fünf Vorträge umfassten eine große Spannweite, von der Charakterisierung des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach dem Artikel 23 des Grundgesetzes bis zu wirtschaftspolitischen Vorstellungen eines ostdeutschen Bundeslandes – Sachsen-Anhalt – für die nächsten Jahre. Den einleitenden Vortrag hielt Hans Modrow, der als Ministerpräsident der DDR in der Zeit von November 1989 bis März 1990 in verantwortlicher Funktion direkt und aktiv an den Auseinandersetzungen über die Bedingungen und Wege einer echten Vereinigung von zwei deutschen Staaten beteiligt war. Er geht in seinem Beitrag davon aus, dass von den möglichen Varianten der Vereinigung beider deutscher Staaten, die für die Sache schlechteste, für die Herrschaftsinteressen der BRD und der USA, für das westliche Militärbündnis NATO, günstigste gewählt und durchgesetzt wurde. Er hebt die verpasste Chance hervor, nach Artikel 146 des Grundgesetzes mit der Ausarbeitung einer Verfassung der Bundesrepublik und ihrer Bestätigung durch eine Volksabstimmung eine andere Qualität der Vereinigung und damit auch der nachfolgenden Transformation zu erreichen.
Gunnar Winkler behandelt wichtige Ergebnisse der seit 1990 vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg jährlich durchgeführten Befragungen zur Situation der Menschen in den neuen Bundesländern. Im Vordergrund steht dabei der "Sozialreport 2010", in dem sowohl Aussagen über den 20-jährigen Prozess der Vereinigung aus Sicht der Ostdeutschen, als auch zum gegenwärtig erreichten Stand der Vereinigung anhand eines repräsentativen Vergleichs von Aussagen und Bewertungen von Bürgern aus Ost- und Westdeutschland ausgewertet und analysiert werden. Als charakteristische Tendenz wird hervorgehoben, dass die mit der Vereinigung verbundenen Hoffnungen und Erwartungen in Ost und West zwar unterschiedlich ausgeprägt sind, aber doch für beide gemeinsam ist, dass die Hoffnungen und Erwartungen seit den ersten Jahren eines vereinigten Deutschlands insgesamt zurückgegangen und die Befürchtungen über die Zukunft zugenommen haben. Bei der Bewertung der Ergebnisse in den 20 Jahren der Einheit, insbesondere der Überwindung der Teilung, und des erreichten Angleichungsstandes sind die Ost-West-Unterschiede beträchtlich. Winkler wertet sie zum Teil als konträre Bewertungen. Die Befragungsergebnisse zeigten auch, dass es nach 1990 zunächst eine hohe Zustimmung der Ostdeutschen zur Demokratie als Grundwert gab, die sich jedoch in den folgenden Jahren deutlich rückläufig entwickelte. In den vergangenen Jahren wurde das Vertrauen in die Politik und die repräsentative Demokratie erkennbar beschädigt.
Ulrich Busch analysiert die Veränderung der Eigentumsverhältnisse in Ostdeutschland seit der „friedlichen Revolution“ und der deutschen Vereinigung. Er charakterisiert die Eigentumstransformation als Hauptinhalt der Systemtransformation und betont, dass sich diese Eigentumstransformation in Ostdeutschland wesentlich von der in den mittel- und osteuropäischen Staaten unterschieden hat. In Ostdeutschland war sie im Wesentlichen auf zwei Methoden beschränkt, einmal auf die Restitution und zum anderen auf den Verkauf d.h. die Privatisierung des Volkseigentums. Dies hatte weitgehende Folgen für die Eigentumsstrukturen in Ostdeutschland und für den dominanten Einfluss des westdeutschen Kapitals auf die Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland seit 1990.
In dem Beitrag von Busch werden auch wichtige theoretische Fragen zur Charakterisierung der Eigentumsverhältnisse im Staatssozialismus und zur Eigentumstransformation in der Zeit der friedlichen Revolution und beim Vollzug der Einheit durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik behandelt. Das betrifft zu einem großen Teil Probleme, zu denen die Diskussion wahrscheinlich noch längere Zeit fortdauern wird. Busch fasst das Volkseigentum als extreme „Form privaten Produktionsmitteleigentums“ (Behrens) auf. Er geht dabei davon aus, dass die Verfügung über dieses Eigentum bei der Partei- und Staatsführung und nicht bei der Bevölkerung lag. Reicht dies aber dafür aus, das staatliche Eigentum als Privateigentum zu charakterisieren? Muss nicht hierfür auch berücksichtigt werden, von wem und in wessen Interesse die Ergebnisse der Arbeit, darunter vor allem das Mehrprodukt, angeeignet und verteilt wurden? Hier bestehen grundlegende Unterschiede zum Privateigentum. Weiterhin unterschieden sich auch die gesellschaftlichen Beziehungen der Produzenten, die sie zueinander und zu den Managern (Leitern) im Produktionsprozess eingingen, wesentlich von denen in kapitalistischen Betrieben. Wie müsste nun der Charakter der Eigentumsverhältnisse in den staatlichen oder volkseigenen Betrieben bestimmt werden? Sie könnten als Verhältnisse charakterisiert werden, die schon entscheidende Züge kapitalistischer Eigentumsverhältnisse abgestreift hatten und daher auch nicht mehr den Charakter von Privateigentum an den Produktionsmitteln aufwiesen, in denen sich schon Züge und Elemente sozialistischer Produktionsverhältnisse äußerten, die jedoch infolge von Deformationen, vor allem in fehlender realer Vergesellschaftung, nur schwach, unzureichend ausgeprägt waren. Über diese Problematik müsste weiter nachgedacht werden, vor allem um richtige Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.
Im Beitrag von Busch wird noch eine weitere Frage aufgeworfen, die ebenfalls weiter erörtert werden müsste: Wie sind die Beziehungen zu bewerten zwischen einerseits der friedlichen Revolution in der DDR, die auf Veränderungen im politischen Überbau und Reformen in der ökonomischen Basis, aber nicht auf die Etablierung der kapitalistischen Marktwirtschaft, gerichtet waren, und andererseits der später tatsächlich vollzogenen Transformation in eine kapitalistische Eigentums- und Wirtschaftsordnung? Handelte es sich dabei um eine Vollendung der friedlichen Revolution oder nicht vielmehr um die Veränderung ihrer Entwicklungsrichtung hin zu kapitalistischen Eigentumsstrukturen, die dem ursprünglichen Anliegen ihrer Träger, die eine grundlegende Reformierung der DDR-Gesellschaft wollten, entgegengesetzt war? Hiervon ausgehend sollte auch nicht von zwei Etappen der friedlichen Revolution gesprochen werden, sondern einmal von einer unvollendeten friedlichen Revolution von Oktober 1989 bis etwa zu den Volkskammerwahlen im März 1990, deren Ziel darin bestand, die politischen und ökonomischen Verhältnisse der DDR grundlegend zu reformieren, und zum anderen von einer Transformation in eine kapitalistische Marktwirtschaft. Diese letztere beruhte auf der Dominanz der Bundespolitik und der westdeutschen Kapitalinteressen und wurde vor allem über die Währungsunion, den Einigungsvertrag über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und die komplette Übernahme ihrer Wirtschafts- und Rechtsordnung sowie über die Tätigkeit der Treuhandanstalt realisiert. Diese Transformation verlief zwar friedlich, sollte aber nicht als zweite Phase bzw. „Phase postsozialistischer Transformation“ oder als Vollendung der friedlichen Revolution bezeichnet werden.
Klaus Blessing setzt sich in seinem Beitrag sehr kritisch mit den Ergebnissen der verfehlten Politik der Bundesregierung in den 20 Jahren seit dem Beitritt der DDR sowie mit der regierungsoffiziellen Darstellung der Entwicklung in dieser Zeit auseinander. Er widerlegt die offiziellen Behauptungen, die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern sei eine einzigartige Erfolgsgeschichte und könne als wahres Wirtschaftswunder angesehen werden, als beschönigende, völlig verzerrte Darstellung, die der tatsächlichen Entwicklung völlig widerspricht. Er zeigt anhand wichtiger Zusammenhänge auf, dass die Ost-West-Kluft seit etwa Mitte der 1990er Jahre nicht verringert wurde, sondern sich sogar noch vergrößert hat. Blessing charakterisiert die Verleumdung der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR bis 1990 in den offiziellen Darstellungen als Pendant zur Beschönigung der Entwicklung nach dem Beitritt. Er weist nach, dass die DDR weder bankrott war, noch kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Der Beitrag endet mit der Feststellung, dass die notwendigen Ziele und Schlussfolgerungen für die Entwicklung Ostdeutschlands vorliegen, und dass es jetzt vor allem auf eine Bürgerbewegung zu deren Umsetzung ankommt.
Frank Thiel rundet die Vorträge mit seinem Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt ab. Ausgehend von dem in der Fraktion DIE LINKE des Landtages ausgearbeiteten wirtschaftspolitischen Leitbild für ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt „Mit wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung“ werden die Wirtschaftspolitik der gegenwärtigen CDU-geführten Regierung und deren Resultate kritisch analysiert und der Inhalt eines Politikwechsels sowie die dazu notwendigen alternativen Politikaufgaben auf den verschiedenen wirtschaftspolitischen Feldern vorgestellt. Sie reichen vom Übergang von der Unternehmensförderung zur Standortförderung, über die höhere Tarifbindung und Einführung von Mindestlöhnen, die Herausbildung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, die Energiewende, die Entwicklung ländlicher Räume bis zu starken kommunalen Unternehmen für eine öffentliche Daseinsvorsorge
-----------------------------------------------------------------------------------------
Hans Modrow
Einige Überlegungen zum 20. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD
Der 20. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD liegt hinter uns. Welche politische Wertung es auch immer gibt, die rechtliche Tatsache eines Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit, genannt Einigungsvertrag, besteht.
Vielleicht hat der 3. Oktober 2010 die verschiedenen Betrachter nicht befriedigt, der politisch herrschenden Klasse nicht den erwarteten Zuspruch und einer linken Opposition nicht die erhoffte Distanz zur Einheit gebracht. Beides scheint weniger wichtig. Bedeutsamer ist der Umstand, dass die im Einigungsvertrag Artikel 4, Absatz 1 getroffene Feststellung falsch ist, die da lautet: „Die Deutschen in den Ländern (es folgt ihre Aufzählung, H.M.) haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet.“
Die Vollendung gibt es nicht und der mehr zufällig gewählte 3. Oktober ist einer Mehrheit, zumindest auf dem Gebiet der alten DDR, nicht Anlass zum Feiern eines würdigen nationalen Feiertages geworden. Die soziale Ungleichheit ist zu groß, das übergestülpte Staats- und Rechtssystem zu fremd, das Streben nach Teilhabe an Führerschaft in der Welt an der Seite der USA von Seiten der Bundeskanzlerin zu beängstigend und die vielen Zeichen von Herabwürdigung bis zum anti-kommunistischen Hass sind zu verletzend, so tiefgehend, dass richtigerweise von einer gesellschaftlichen Zweiteilung zu sprechen wäre.
Dabei geht es hier nicht um die berühmten zwei Fragen:
Sehen Sie nicht die gewaltigen Transfersummen vom Westen in den Osten, die neuen Stadtbilder, Gewerbegebiete, Straßen und Brücken?
Glauben Sie, die DDR hätte überleben und gar noch heute existieren können?
Beide Fragen lassen sich kurz beantworten: Das Eine sehe ich und zum Anderen muss ich schlicht und einfach antworten: Nein.
Ich möchte meine Sicht auf den Vertrag und die ihm folgende Entwicklung in einigen Punkten darstellen.
1. Von allen Varianten der Vereinigung beider deutscher Staaten, die im Ergebnis des 2. Weltkrieges entstanden waren, wurde die für die Sache schlechteste, für die Herrschaftsinteressen der BRD und der USA, für das westliche Militärbündnis NATO, günstigste gewählt und durchgesetzt.
Im Innern kam der Artikel 23 des Grundgesetzes der BRD als Beitrittsformel zur Anwendung, in Gestalt eines Anschlusses verwirklicht.
Bei den äußeren Bedingungen wurde mit der Verwandlung der sowjetischen Formel 4 plus 2 in 2 plus 4 eine Verschiebung der Interessenlage erreicht. Jede Nähe zu einem Friedensvertrag zur letztendlichen Beendigung des 2. Weltkrieges wurde blockiert. Der Zerfall der Sowjetunion wurde dadurch beschleunigt. Mit Aufkündigung ihrer Rolle als Schutzmacht der DDR wurden deren Interessen ungenügend geschützt und Räume für den puren Anschluss an die BRD geöffnet. Artikel 146 des Grundgesetzes hätte Platz für den Drei-Stufen-Plan für die Vereinigung, für militärische Neutralität, für das Ende des provisorischen Gefüges des Grundgesetzes und die Schaffung einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, durch Volksabstimmung bestätigt, gegeben.
Die Partei DIE LINKE ist dabei sich ein Parteiprogramm zu geben. Sollte sie darin nicht ihr Bestreben nach einer in Selbstbestimmung des deutschen Volkes anzunehmenden Verfassung aufnehmen?
2. Die Liste der Belege für die Zweiteilung in Folge des Anschlussverfahrens ist lang. Hier können nur einige angeführt werden, wobei bewusst bleiben soll, dass inzwischen 20 Jahre vergangen sind.
Von allen Universitäten und Hochschulen wurden lediglich drei von Personen mit einer Biografie aus dem Osten geleitet. Kein Botschafter, kein Rundfunk- oder Fernsehintendant hat eine DDR-Biografie. Keine Spitzenfunktion bei der Polizei im Osten ist mit einer Person dieser Herkunft besetzt. Bei der Bundeswehr mit 213 Generälen hat Generalsrang lediglich eine Ärztin im medizinischen Dienst. Von allen Tageszeitungen im Osten werden lediglich drei von Personen mit Ostherkunft geleitet.
In den Ost-Ländern geht der Westbesatz in den Landesverwaltungen bis in die gut bezahlte mittlere Ebene und in Spitzenbereiche der Kreise. Es hieß und heißt noch heute, es sollten mit dem Beitritt nicht die Fehler wiederholt werden, die nach 1945 in der BRD gemacht worden sind. Damals wurden alte Nazis im Geiste des Antikommunismus in hohen Ämtern belassen und diesmal wurden im gleichen Geist die Eliten der DDR abgewickelt. Da sich Eliten nachgewiesener Weise wesentlich aus den eigenen Reihen reproduzieren, haben Menschen mit Ostbiografien noch über längere Zeit kaum Chancen.
Arbeitsplätze wurden millionenfach vernichtet und mit dem Wirken der Treuhand, entsprechend Beschluss der Volkskammer vom Juni 1990, das privatisierte Volkseigentum zu 85 % in west- und nur zu 5 % in ostdeutsche Hände gelegt. 10 % ging an ausländisches Kapital.
Die jüngsten Tarifabschlüsse halten an 20 % und mehr Rückstand für Ostlöhne fest. Die Renten bleiben zurück und die politische Strafrente erhält neue Bestätigung mit dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes zum Antrag des Ministers a. D., Hans Reichelt.
Wer über Einheit redet, politisch und juristisch dagegen handelt, ist ein Betrüger gegen Bürgerinteressen. Noch bleiben Chancen um wachsenden Schaden zu begrenzen und Veränderungen anzustreben. Parlamentarische Initiativen und außerparlamentarische Bewegungen sind aufgerufen, sie zu nutzen.
3. Wer von Einheit spricht, müsste seinen Blick auch besonders auf Kultur, Geschichte und Identität der Bürger richten.
Zur Kultur heißt es in Artikel 35, Absatz 1 des Einigungsvertrages: „In den Jahren der Teilung waren Kunst und Kultur – trotz unterschiedlicher Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland – eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation. Sie leisten im Prozess der staatlichen Einheit der Deutschen auf dem Weg zur europäischen Einigung einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag.“
Was nach 1990 in den ostdeutschen Ländern geschah, ist eine brutale Vernichtung von deutscher Kunst und nationaler Kultur. Bücher wurden zu Millionen auf Müllhalden gebracht und Verlage vernichtet.
60 Jahre Grundgesetz. Für jedes Jahr ein Bild in einer Ausstellung, aber keines von einem Künstler, der die DDR nicht verlassen hat und bis in die Gegenwart künstlerisch tätig ist. Es passt nicht die Kunst und nicht die Person. Prägende Beiträge gegen Krieg und Faschismus hatten hier keinen Platz. Die Realität steht sichtbar gegen den Vertrag. Es wäre zu prüfen, ob es Raum für rechtliche Einforderung gibt. Der politische Kampf für die Würdigung von Kunst und Literatur aus der DDR, ihres Beitrages zur nationalen Kultur, sollte seine Fortsetzung finden.
4. Der Blick auf den 2-plus-4-Vertrag sollte – bei allen Schwächen dieses Vertrages – nicht verloren gehen. Wie es heißt, sei er ein bestimmendes Element für das Ende des kalten Krieges. Viele Tatsachen sprechen aber noch immer dagegen.
Die beiden deutschen Nachkriegsstaaten waren, bei allen Unterschieden ihrer gesellschaftlichen Systeme, keine Fortsetzung der deutschen faschistischen Diktatur und keiner der beiden Staaten hat eine neue, verurteilungswürdige Diktatur geschaffen. Keine Siegermacht hätte dafür Raum gegeben. Die Sowjetunion hat gemäß dem Potsdamer Abkommen gehandelt und die DDR hat sich, dem verpflichtet, verhalten. Die Behauptung von der zweiten deutschen Diktatur ist eine Entstellung der Geschichte und steht im Geiste des kalten Krieges gegen eine Einheit der beiden deutschen Staaten. Sie richtet sich gegen die Sowjetunion und in ihrer Nachfolge den russischen Partner im 2-plus-4-Vertrag.
Die Bundesrepublik Deutschland ist zwar an den 2-plus-4-Vertrag gebunden; ihm jedoch in allen Teilen im Sinne seines Geistes zu entsprechen, hält sie nicht für verbindlich.
Über den Flughafen Halle-Leipzig sind in den letzten Jahren viele 10.000 NATO-Soldaten zum Kriegseinsatz nach Afghanistan geflogen. Deutsche Soldaten sind Teilnehmer am Krieg. Das Eigentumsrecht aus der Bodenreform wird ausgehöhlt und neue Bevorteilungen der Alteigentümer wurden geschaffen.
Es ist sehr aufschlussreich, wie bei den offiziellen Feiern zum 20. Jahrestag an die Ereignisse vor 20 Jahren erinnert wird. Der Herbst 1989 wird gebraucht, um eine friedliche, revolutionäre Volksbewegung zu würdigen. Da ist es schon schwer, den 4. November 1989 mit der Kundgebung auf dem Alexanderplatz einzuordnen. Ein Großteil der Organisatoren und Redner kamen aus den Reihen der SED. Ihre Forderungen nach Veränderungen in Partei und Gesellschaft hatten zusammen mit denen aus der Bürgerbewegung wenige Tage vor dem Rücktritt der Regierung am 7. November und den Veränderungen in der Führung der Partei nachhaltigere Wirkungen als Großveranstaltungen in den anderen Städten.
Der Runde Tisch, der am 7. Dezember 1989 beginnt, folgt der Intention des 4. November. Die Kirchenvertreter moderieren, die politischen Formationen der Bürgerbewegung und die bestehenden Parteien agieren und reagieren, auch kontrovers zueinander. Die Regierung sichert die materiellen und finanziellen Bedingungen dieser Tätigkeit. Alle Teilnehmer sind sozial abgesichert. Regierungsmitglieder treten am Runden Tisch auf. Ab 4. Februar 1990 ändert sich dieses Verhältnis. Alle politischen Kräfte tragen in der Regierung eine gemeinsame nationale Verantwortung.
Das alles passt nicht in ein Geschichtsbild, mit dem die heute Mächtigen in künftige Wahlkämpfe gehen wollen. Der Mauerfall (ohne Dank an die wirklichen Entscheidungsträger an den Grenzübergängen), die Wahlen zur Volkskammer am 18. März und der Beitritt am 3. Oktober – das ist ihre Kette der Ereignisse.
Der Kreis von Adressaten für Danksagung wird immer kleiner. Krause ist nicht vorzeigbar, Diestel nicht genügend angepasst, Lengsfeld hat für Bündnis 90 und die CDU jegliches Format verloren.
Die Aussagen zur DDR und ihrer Geschichte waren in den offiziellen Reden auffällig zurückhaltend. Das hat wohl besonders zwei Gründe. Jeder Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zeigt das große Maß an geschaffener Ungleichheit in der größeren Bundesrepublik, hält auch Erinnerungen an in der DDR geschaffene soziale Leistungen wach.
Und mit Herabwürdigung und Hass sind im Osten keine neuen Wählerstimmen zu gewinnen.
DIE LINKE hat aus Anlass des 20. Jahrestages kein deutlich eigenes Profil gezeigt. Sie sollte bei kritischer Sicht auf die Vergangenheit die Achtung vor der Legitimität eines alternativen Gesellschaftsentwurfs nicht vermissen lassen.