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Heft 181: Guatemala – Chile – Argentinien

Aufarbeitung der Militärdiktaturen heute. Konferenzbeiträge, 22./23. Juni 2012

Heft 181: Guatemala – Chile – Argentinien

Reihe "Pankower Vorträge", Heft 181, 2013, 64 S.

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Die von Helle Panke, Interbrigadas, der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin 2012 gemeinsam organisierte Konferenz

Guatemala – Chile – Argentinien. Aufarbeitung der Militärdiktaturen heute

unternahm den Versuch, sowohl die Ursachen als auch die Aktualität der politischen Auseinandersetzung und Aufarbeitung von Militärdiktaturen anhand von drei lateinamerikanischen Staaten exemplarisch zu analysieren.

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Inhalt

Vorwort
von Malte Greger, Lucie Matting, Birgit Ziener

Winfried Hansch
Staatsstreiche und Militärinterventionen in Lateinamerika nach 1945
Guatemala. Gescheiterte Wahrheitskommission und aktuelle Erinnerung

Dirk Bornschein
Verdrängt, verstrickt, verschoben. Die Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit in Guatemala

Uli Stelzner
Zur Aufarbeitung der Militärdiktaturen in Guatemala. Das geheime Archiv der Nationalpolizei

Lucio Yaxón Guarax
Mehr Poesie als Musik. Interview von Ina Hilse mit Lucio Yaxón Guarax, guatemaltekischer Hiphoper im deutschen Exil.
Chile. Kollektives Gedächtnis und begrenzte Strafverfolgung in der Postdiktatur

Isidoro Bustos
Strafverfolgung in Chile. Geschichte und Menschenrechte

Leonor Abujatum
Trauma, Erinnerung und Lebenswissen im chilenischen Roman.
Argentinien. Starke Zivilgesellschaft und der Weg zur Gerechtigkeit

Wolfgang Kaleck
Argentiniens Militärs vor Gericht und die Frage internationaler Strafgerichtsbarkeit

Julieta Mira
Bewegung für eine Rekonstruktion der Geschichte und eine lebendige Erinnerung

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LESEPROBE

Winfried Hansch (Auszug)
Staatsstreiche und Militärinterventionen in Lateinamerika nach 1945

Dieser Vortrag beginnt mit dem Putsch von General Gustavo Rojas Pinilla 1953 in Kolumbien und dem Sturz von Präsident Jacobo Árbenz 1954 in Guatemala und endet mit dem letzten bekannten Putschversuch gegen Präsident Rafael Correa im September 2010 in Ecuador. In diesem Zeitraum haben in Lateinamerika über 20 Militärputsche und ausländische Interventionen stattgefunden. In einem Zeitraum von etwa 60 Jahren wurde bei diesen Verbrechen gegen die Völker Lateinamerikas fast eine Million Menschen getötet. Bürgerkriege und reaktionärer Staatsterror haben mehrere Millionen Lateinamerikaner zu Kriegsflüchtlingen gemacht oder ins Exil getrieben. An den Folgen der Putsche und Militärinterventionen vor 50 oder 30 Jahren leiden die Völker Lateinamerikas noch heute.
Am Beispiel nur eines Landes, wie Guatemala, wird erkennbar, wie schwer und kompliziert es ist, diese über mehrere Jahrzehnte dauernden Bürgerkriege in Lateinamerika zu erfassen, zu beschreiben und politisch zu werten. Das liegt zum einem daran, dass das Zahlenmaterial über aufgeklärte und nicht aufgeklärte Verbrechen gegen die Menschlichkeit eines Landes sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Zum anderen haben „Wahrheitskommissionen“ wie in Guatemala 1999 unter Christian Tomuschat eher zur Vertuschung, bestenfalls zur teilweisen Dokumentation der Verbrechen der Regime beigetragen (siehe Bericht der Kommission „Erinnerung an das Schweigen“ vom 25. Februar 1999, Guatemala-Stadt). Die Entdeckung des Geheimarchivs aus Zeiten der Diktatur „La Isla“ inmitten von Guatemala-Stadt im Jahre 2005 hat gezeigt, dass bekannte Zahlen schnell von einer noch grausameren Wirklichkeit eingeholt werden können. Mit der Wahl von Ex-General Otto Pérez Molina zum Staatspräsidenten im September 2011 übernahm ein Aufstandsbekämpfer, ein “Täter“ das oberste Amt in Guatemala.
Zu den Ländern Guatemala, Chile und Argentinien wird in den drei folgenden Abschnitten des Heftes ausführlich informiert werden. Die Entwicklung in Peru seit der Machtübernahme der Militärs unter General J. Velasco Alvorado im Oktober 1968 wurde wegen der Vielschichtigkeit des Themas und der wenig aufbereiteten Datenlage nicht in die Aufstellung einbezogen. Das gleiche betrifft Haiti.
Hier nun einige vertiefende Informationen und einige generelle Bewertungen: Der Bürgerkrieg in Kolumbien dauert fast 60 Jahre. Er ist eine der schlimmsten menschlichen Katastrophen Lateinamerikas seit den Befreiungskriegen von der spanischen Herrschaft vor 200 Jahren. Der Bürgerkrieg brachte von 1993 bis 2011 besonders in ländlichen Gebieten Kolumbiens über 3,6 Millionen Kriegsflüchtlinge hervor (Arcanos, Jan. 2012, Nr. 45, S. 118). Im Verlaufe des Bürgerkrieges wurden seit 1953 über 6,5 Millionen Kolumbianer zu Kriegsflüchtlingen. Mehr als eine halbe Million Kolumbianer passierten bis Januar 2011 ohne Dokumentation die Grenze nach Ecuador (Pueblos, Madrid, Jan. 2011, S. 28). Die Härte der militärischen Auseinandersetzungen zeigt sich auch darin, dass die FARC allein im Jahr 2011 über 2.100 Militäraktionen unternahm (ARCANOS, ebenda, S. 36). Die Regierungsseite gibt an, von 2008 bis 2011 über 7.300 Kämpfer der FARC getötet oder verwundet zu haben. Bei den grausamen inneren Auseinandersetzungen in Kolumbien kamen von 2002 bis 2007 auch 14.000 Zivilisten ums Leben. Ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen. Am 15.06.2012 bestätigte die Staatsanwaltschaft Kolumbiens die Existenz von 180 von den Paramilitärs in den Jahren 1995 und 1996 in den nordöstlichen Regionen Choco un Antioquia angelegten Massengräbern (portal amerika 21, 15.06.2012).
Betrachten wir Paraguay wird eine Methode der Militärmachthaber besonders deutlich: Folter während der Verhöre. Von 19.882 offiziell Verhafteten wurden 18.772 also fast 95 % gefoltert (siehe: TESTIMONIOS DEL HORROR, Tomo II, S. 17).
Kuba befindet sich seit 1961 im “Fadenkreuz der USA“ (H. Schäfer, Berlin 2007). Nach der Niederlage in der Schweinebucht 1961 verhängte Präsident J.F. Kennedy am 3. Februar 1962 eine totale Wirtschaftsblockade gegen Kuba. Die USA, die NATO und auch die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland investierten Milliarden US-Dollar in Programme zum Sturz des politischen Systems in Kuba. Die den NATO-Richtlinien untergeordnete Lateinamerikapolitik der konservativen Bundesregierung strebt aktiv einen Regimewechsel in Kuba an (Rede A.M Steinmeier am 08.05.2008, Protokoll Bundestag S. 16997). Die Adenauer-Stiftung organisierte unter dem Titel “Transitionsszenarien für Kuba“ Treffen extremistischer Gruppen von Castro-Gegnern aus Kuba und Miami (Homepage KAS Mexiko vom 26.10.2008). Die Hans-Seidel-Stiftung arbeitet an der „Öffnung des autoritären Systems“ in Kuba (Homepage HSS Kuba vom 15.10.2008).
In Brasilien wurde am 31. März 1964 Staatspräsident Joao Goulard, (Millionär, Großgrundbesitzer und strenggläubiger Katholik) von den Militärs unter General Castello Branco gestürzt, weil nach Einschätzung von US-Botschafter Lincol Gordon und Militärattaché Vernon Walters mit einem Versuch „zur totalitären Machtübernahme zu rechnen sei“ (William Blum: Zerstörung der Hoffnung, 2008, S. 271). Fast 30 Jahre wurde in Brasilien durch Amnestiegesetze der Militärregierung aus dem Jahre 1979 die Untersuchung der Verbrechen der Militärdiktatur von 1864 bis 1985 verhindert. Als 1990 in Sao Paulo ein Massengrab „fosa comun ou 1000 cuerpos“ entdeckt wurde, wurde nicht untersucht, ob es sich um Bestattungen von mittellosen Armen handelte oder um Opfer von politischen Gewaltverbrechen („Politicas Publicas de Verdad y Memoria en 7 paises de Amerika Latina“, Camara Municipal Sao Paolo). Brasilien war das einzige Land Lateinamerikas, in dem die Verbrechen der Diktatur nicht untersucht wurden. Erst am 16. Mai 2012 wurde in Anwesenheit der ehemaligen Präsidenten Lula da Silva, Cardoso, Color de Mello und Sarney von der aktuellen Präsidentin Dilma Rousseff offiziell eine Wahrheitskommission eingerichtet. Die Amnestiegesetze von 1979 hatten verhindert, dass die für Mord, Entführungen und Folter verantwortlichen Militärs vor Gericht gestellt und verurteilt wurden. Das trifft auch auf die Folterer der Präsidentin Dilma Rousseff zu, die nach ihrer Verhaftung Anfang 1970 nach ihrer Aussage unendlich lang erscheinende 22 Tage im Militärgefängnis gefoltert wurde.
In Bolivien lässt sich an den zeitlich schnell hintereinander folgenden Putschen deutlich die direkte Steuerung einheimischer Militärs durch die USA ablesen, die in der Regel durch die als Militärattachées getarnte CIA-Residenten erfolgte. Der Putsch 1964 verlief nach diesem Muster: Der putschende Vizepräsident und ehemalige Luftwaffenchef General Rene Barrientos Ortuno ließ durch einen der Offiziere den Präsidenten Boliviens Victor Paz Estenssoro fragen: „Er könne entweder zum Friedhof oder zum Flughafen gebracht werden“. Paz Estenssoro hatte vorher eine Todsünde begangen: Er hatte sich der amerikanischen Kuba-Politik entgegengestellt. 1962 stimmte Bolivien gegen den Ausschluss Kubas aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und schloss sich 1964 nicht der OAS-Blockade gegen Kuba an. Als Paz Estenssoro versuchte, Wirtschaftshilfe und Investitionen aus der Sowjetunion zu erhalten, wurde sein Sturz beschlossen. US-Oberst Edward Fox ließ General Barrientos den Putsch starten. Im Jahre 1967 half dafür die US-Marineinfanterie bei der Suche und Ermordung von Ernesto Che Guevara. Es folgten weitere Umstürze innerhalb der Putschregime bis im Januar 1971 Oberst Hugo Banzer an die Macht kam und bis 1978 regierte. Nach Hugo Banzer entwickelte sich unter der Präsidentin Lydia Geiler eine bürgerliche Demokratie. Schon im Juni 1980 erlitt Bolivien den nächsten Putsch durch General Garcia Meza. 700 argentinische Militärs waren an der Vorbereitung und Durchführung dieses Putsches beteiligt. Einen besonders grausamen Beitrag bei Verhören, Folterungen außergerichtlichen Tötungen spielten hunderte Paramilitärs „Novios de la muerte“, die von Altnazi Klaus Barbie ausgebildet worden waren. Bei dem Meza-Putsch wurden laut Menschenrechtsorganisationen 500 Menschen getötet und über 4.000 verhaftet. Garcia Meza und Ex-Innenminister Luis Arze Gomez wurden inzwischen rechtskräftig verurteilt, ihre Helfer nicht.
In der Dominikanischen Republik kam nach mehreren Aufständen gegen die Trujillo-Diktatur der progressive Präsident Juan Bosch im April 1964 an die Macht und wird bereits im September 1964 wieder gestürzt.. Mit einer Invasionsarmee von 40.000 US-Marines wurde die spätere Diktatur von Joaquin Balaguer gesichert. Während der Kämpfe wurden 4.000 Dominikaner getötet. Darunter befanden sich viele Frauen und Kinder.
Die Anzahl der Opfer in Uruguay konnten bis heute nicht definitiv bestätigt werden. Hier spielen die „Todesflüge“ wahrscheinlich eine große Rolle. Auffallend dabei ist, dass in Argentinien (120 Fälle) mehr Uruguayer entführt wurden als in Uruguay selbst (60 Fälle). Das ist wahrscheinlich ein Ergebnis der verbrecherischen „Operation Condor“. Die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in Uruguay scheiterte bisher an den noch gültigen Amnestiegesetzen. Weniger als ein Dutzend Militärs wurden bisher verurteilt.
Befasst man sich mit Nicaragua unter unserem Thema, muss man in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg zurückgehen. Von 1926 bis 1933 kämpfte „El Pequeno Ejercito Loco“ unter Augusto Cesar Sandino gegen die Eindringlinge aus den USA. Dieser heroische Befreiungskrieg forderte 40.000 Menschenleben. In der Mehrzahl waren es Bauern. Die Bezeichnung für die Patrioten des Heeres von Sandino habe ich von dem Argentinier Gregorio Selzer übernommen, der 1955 mit seinem ersten Buch „Sandino, General der Freien Menschen“ und weiteren 30 Büchern wissenschaftliche Objektivität und anti-imperialistische Leidenschaft verband. Insgesamt hinterließ die Somozadiktatur 50.000 Tote. Tausende Patrioten Nicaraguas und hunderte Internationalisten aus anderen Ländern Lateinamerikas gaben im späteren Kampf gegen die Contras ihr Leben. Das Land wurde verwüstet. Neben klassischen offenen Kriegshandlungen bedeutete das: Bombardierungen und Beschuss durch Flugzeuge “unbekannter Nationalität“ oder durch Schiffe, verminte Häfen, finanzielle und ökonomische Blockade, Sabotage und Zerstörung von Brücken, Staudämmen, Stromleitungen, Zuckerfabriken, Lebensmitteldepots und Kaffeefeldern. 1986 verklagte die sandinistische Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die USA. Diese wurden zu 1,7 Milliarden Dollar Schadenersatz verurteilt. Die US-Administration erkannte das Urteil nicht an.
Auch in Bezug auf El Salvador muss man in die 30er Jahre zurückgehen. Der 12 Jahre währende Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 hat eine blutige Vorgeschichte. Im Jahre 1932 erhoben sich Tausende Bauern gegen ihre inländischen und ausländischen Ausbeuter. Farabundo Marti kehrte aus dem Exil zurück. Bei der Niederschlagung des Aufstands wurden 30.000 Bauern getötet („La Matanza“). Farabundo Marti wurde standrechtlich erschossen. In dem Bürgerkrieg von 1979 bis 1992 wurden weitere 75.000 Menschen getötet.
Das Beispiel der kleinen Insel Grenada (1/3 der Fläche von der Insel Rügen) manifestierte im Oktober 1983 die Großmacht USA ihre hysterische Angstkampagne vor dem „Internationalen Kommunismus“. Am 25. Oktober besetzten 7.600 US-Soldaten unter Befehl von General Norman Schwarzkopf die Insel mit dem Ziel, ein „zweites Cuba“ zu verhindern. An der Invasionsarmee waren auch symbolische Kontingente einiger Karibikstaaten beteiligt. Unter den fast Hundert Todesopfern waren auch 25 Kubaner. Weitere 59 wurden verwundet und 638 gefangen genommen. Bei der amerikanischen Invasionsarmee gab es 19 Tote und 116 Verwundete, hauptsächlich Opfer bei Flugzeugabstürzen.
Nach der „Unabhängigkeit“ von Panama im Jahre 1903 sind die USA dann 1989 zum siebten Mal in dieses kleine Land eingefallen. Die Supermacht siegte in wenigen Stunden über eine der kleinsten Armeen Lateinamerikas. 3.000 Menschen wurden getötet. Wie hasserfüllt und arrogant diese Militäraktion zur Entführung von Präsident Norriega war, zeigt sich auch darin, dass während der Aktion des US-Südkommandos die Botschaft Nicaraguas besetzt wurde. Der Botschafter Nicaraguas wurde persönlich tätlich angegriffen und zeitweilig als Geisel genommen. Bei der Panama-Invasion wurden 23 Amerikaner getötet und 324 verwundet.
Warum befassen wir uns heute, 60 Jahre nach dem Putsch von 1953 in Kolumbien, mit dem Thema “Aufarbeitung der Militärdiktaturen”? Zum einem deshalb, weil einige damals begonnene nationale Tragödien heute immer noch militärisch weitergeführt werden – das Töten, Vertreiben und Unterdrücken immer noch nicht beendet worden ist. Wir verurteilen mit tiefer Sorge den am 21. Juni 2012 erfolgten Putsch gegen den Präsidenten Paraguays, Bischof Fernando Lugo. Zum anderen haben die Völker in den betroffenen Ländern ein unterschiedliches Niveau, eine unterschiedliche Tiefe und einen unterschiedlichen Umfang der Aufarbeitung der Putsche und Militärinterventionen erreicht. Und nach Honduras 2009, Bolivien 2010 und Ecuador 2011 wird deutlich, dass Putsche und Militärintervention von den USA trotz offensichtlichen Machtverlustes in Lateinamerika immer noch als geeignetes und wirksames Instrument zur Durchsetzung ihres Einflusses und der Interessen dieser „Supermacht“ angesehen werden. Andreas von Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung der BRD von 1976 bis 1980, bewertete den „CIA-Putsch in Guatemala und Chile als Schablone für den Umsturz“ in Lateinamerika in den nächsten Jahrzehnten (v. Bülow, 1998, „Im Namen des Staates“, Piper-Verlag, S. 216) und fährt fort: „Nach dem Staatsstreich des guatemaltekischen Militärs im Jahre 1954 haben die in den USA ausgebildeten Offiziere der Militärjunta sofort die außerordentlich gemäßigte Landreform der gestürzten Regierung Árbenz rückgängig gemacht“ (ebenda, S. 217). So entwickelte die CIA aus der bürgerlich orientierten Landumverteilung der Regierung Árbenz im Jahre 1953 eine „Weltverschwörung des Kommunismus“ mit allen bekannten Gegenkonzepten (A.v.Bülow, ebenda, SA. 392).
Das kulminierte in der Maxime einiger US-Administrationen: Mit dem „Faschismus gegen den Kommunismus“ (A.v. Bülow, ebenda, S. 371). Die Staatsstreiche wurden und werden in der Regel in Lateinamerika durch Bündnisse von Militärs mit der einheimischen Oligarchie, Großgrundbesitzern, und dem Großbürgertum möglich. Man kann mit Ruth Fuchs übereinstimmen, dass sich „die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen immer wieder als eines der zentralen Probleme im Übergang von der Diktatur zur Demokratie herausstellt“. (Ruth Fuchs/ Detlef Nolte: Zur Analyse der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika. In: Lateinamerika Analysen, 10/2004, S. 63). Härter formuliert, könnte man sagen: Die „Aufarbeitung“ ist der Indikator für eine Rückkehr zur Demokratie. Nur wenn die Täter entmachtet wurden, die von den Tätern erlassenen Amnestiegesetze aufgehoben wurden und die „Straflosigkeit“ annulliert wurde, wird eine wahre Aufarbeitung erreicht. Das ist nicht nur eine Angelegenheit der Völker Lateinamerikas. Auch die bürgerlichen Demokratien Europas sollten sich noch heute fragen, inwieweit durch eine in den Zusammenhang der Ost-West-Auseinander-setzung eingebettete wohlwollende Haltung gegenüber den Diktaturen Lateinamerikas durch Regierungen Westeuropas, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, das Morden in Lateinamerika gefördert wurde.
So wird eine von den Diktaturen und ihren Hintermännern nördlich des Rio Grande in den Jahren der Diktaturen bereits vor 40 Jahren angewandte Methode – die „gezielten Tötungen“ – auch in unserer Zeit angewandt. In Lateinamerika wurde diese Methode bei der Ermordung des Allende-treuen chilenischen Generals Carlos Prats im September 1974 in Buenos Aires, dann am 24. Mai 1981 bei der Ermordung des Präsidenten Ecuadors, Jaime Roldos, und weniger als 2 Monate später bei der Ermordung des Präsidenten Panamas, Omar Torrijos, am 31. Juni 1981 angewandt (in Gregorio Selser: PANAMA ERASE UN PAIS A UN CANAL PEGADO, S. 215–216 und S. 275–291).
Wie sind die Völker Lateinamerikas mit diesen Tragödien umgegangen? Militärdiktatur und Militärregierungen gehörten und gehören zur grausamen Erfahrung vieler Generationen in fast allen Ländern dieses Kontinentes. In Lateinamerika haben in bisher elf Ländern Wahrheitskommissionen, nationale „Comisiones de Verdad“, gearbeitet. Nur in wenigen Ländern sind solche Ergebnisse erreicht worden wie in Argentinien, wo etwa 1.000 Militärs der Prozess gemacht wurde. Aber selbst hier ist der Hunger nach Gerechtigkeit immer noch nicht gestillt worden.
In dem Vortrag wurde angestrebt, verlässliche Daten zu diesen Menschenrechtsverletzungen, wie Getötete, Verschwundene, willkürlich Verhaftete, Gefolterte, ins Ausland getriebene Menschen, in mehren Ländern Lateinamerikas zusammenzustellen. Aber mit Zahlen kann man diese Verbrechen nur unzureichend beschreiben. Die Repression umfasste auch die Aufhebung allgemeiner bürgerlicher Rechte, das Verbot der politischen Betätigung, das Verbot von Parteien und Organisation, soziale Isolierung, Angst, sexuelle Gewalt und andere Einschüchterungen.
In den drei folgenden Abschnitten dieser Publikation tritt die “Aufarbeitung der Militärdiktaturen heute“ in den Fokus. Das soll unser Beitrag im Kampf gegen das Vergessen, gegen die Straflosigkeit und für Gerechtigkeit sein. Am 17. Juli wird jedes Jahr der „Dia Internacional del Desapericido“, der „Tag der Verschwundenen“ begangen: Die Völker Lateinamerikas klagen an!

  • Preis: 4.00 €