Von: Alexander Amberger, Jörg Roesler, Christoph Lieber, Klaus Steinitz
Am 27. April 2018 fand in der Hellen Panke Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin eine Konferenz zum Thema: Reformen im Realsozialismus der 60er Jahre und ihre politischen Konsequenzen. NÖS, Praxisdebatte, Kybernetik und Demokratischer Sozialismus statt.
Das vorliegende Heft enthält Vorbemerkungen von Dr. Alexander Amberger und für den Druck bearbeitete Beiträge von Referenten. Es ist vorgesehen zu der oben aufgeführten Konferenz im Herbst noch ein zweites Heft mit weiteren Beiträgen herauszugeben.
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AUTOREN
Alexander Amberger, Dr. phil., Mitarbeiter für politische Bildung bei der Hellen Panke, Berlin
Jörg Roesler, Prof. Dr., Wirtschaftshistoriker, Mitglied der Leibniz-Sozietät, Berlin
Christoph Lieber, Dipl.-Soziologe, Lektor im VSA-Verlag Hamburg, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus, Hamburg
Klaus Steinitz, Prof. Dr., Wirtschaftswissenschaftler, Berlin, Mitglied der Leibniz-Sozietät, Berlin
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INHALT
Vorbemerkung
vonAlexander Amberger
Jörg Roesler
In welchem Maße sollten Wirtschaftsreformen von politischen Reformen begleitet sein?
Alternative Auffassungen und Vorgehensweisen in der ČSSR und in der VR Ungarn sowie die Haltung der UdSSR und der DDR
Christoph Lieber
"Prager Frühling"
Zivilgesellschaftliche Sozialismusreform scheitert an bolschewistischer Parteiräson
Klaus Steinitz
Die Rolle der zentralen Partei- und Staatsorgane bei der Vorbereitung, Durchführung und beim Abbruch der Wirtschaftsreform in der DDR Konsequenzen für die Zukunft
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LESEPROBEN (Auszug)
Vorbemerkung
von Alexander Amberger
An das fünfzigste Jubiläum des langen Jahres 1968 wird in Berlin und anderswo mit Vernissagen, Vorträgen, Konferenzen und vielfältigen Publikationen erinnert. Im Zentrum stehen dabei als Orte meist westliche Großstädte und als Akteure die dort lebende Intelligenz sowie gegebenenfalls die mit ihr gemeinsam streitende Arbeiterschaft. Die damaligen Ereignisse im Osten Europas finden in diesen vor allem historisierenden Erinnerungen nur am Rande statt. Höchstens wird der Prager Frühling erwähnt, als Aufstand der Bevölkerung gegen die Machthaber in Prag bzw. Moskau, für mehr Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Über die komplexen Hintergründe, ökonomischen und politischen Intentionen, Machtstrukturen und damit zusammenhängenden Vorgeschichten hört man heutzutage allerdings wenig.
Der Prager Frühling war Kulminationspunkt einer Entwicklung, zu der zahlreiche Reformen, Reformversuche und Reformdebatten in Ländern des sogenannten Ostblocks gehörten. Die Menschen dort hofften auf einen Aufbruch aus der Eiszeit, hegten Erwartungen an Veränderungen, die ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern würden. Das Gemeinsame der Wirtschaftsreformen in den verschiedenen realsozialistischen Ländern der 60er Jahre bestand vor allem darin, die notwendigen Bedingungen für ein effektiveres Wirtschaften zu schaffen. Dabei gab es zwischen den Staaten teilweise beträchtliche Unterschiede. Sie betrafen den Inhalt der verschiedenen Reformmaßnahmen, insbesondere jedoch das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen und politischen (Demokratisierung) Reformen. Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre kam es zu einem politischen Umschwung im gesamten Ostblock, in dessen Zuge die unterschiedlich weit gediehenen Reformen größtenteils rückgängig gemacht wurden. Damit einher ging eine Desillusionierung der Bevölkerung in Bezug auf mögliche Verbesserungen im materiellen und politischen Bereich.
Die Tagung der Hellen Panke am 27. April 2018 widmete sich den vielfältigen Problemen und Sichtweisen, die mit der Reformierung des Wirtschaftssystems im Realsozialismus dieser Zeit verbunden waren. Sie konnte dabei an zahlreiche Veranstaltungen zum Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung (NÖS) in den letzten 27 Jahren und vor allem an einen Workshop anknüpfen, der vor 18 Jahren unter dem Thema: eine spannende Periode in der Wirtschaftsgeschichte der DDR an selber Stelle durchgeführt wurde.
Im ersten Teil der zum vorliegenden Heft gehörigen Veranstaltung ging es vor allem um die Analyse und Bewertung des grundlegenden Inhalts der Wirtschaftsreformen und die dabei geführten Auseinandersetzungen. Die dazu gehaltenen Beiträge von Jörg Roesler, Christoph Lieber und Klaus Steinitz finden sich nachfolgend in einer überarbeiteten Fassung. Im zweiten Teil der Veranstaltung sprachen Judith Dellheim, Boris Kanzleiter, Annette Vogt, Erika Maier und Lutz Brangsch über spezifische Aspekte und Unterschiede in den Reformansätzen einiger Länder sowie Konsequenzen, die aus den damaligen Reformansätzen für die Zukunft gezogen werden können. Beiträge dieses Teils der Tagung erscheinen in einem separaten Heft.
Überlegungen zum Verhältnis zwischen politischen und ökonomischen Reformen anhand der damaligen Erfahrungen unterbreitete Jörg Roesler in seinem Einführungsvortrag. Er machte einige bisher kaum beachtete Unterschiede im Verhalten von Parteiführern der Warschauer-Pakt-Länder gegenüber den Reformbestrebungen in der CSSR deutlich. Leonid Breshnew in Moskau, János Kádár in Budapest und Walter Ulbricht in Ost-Berlin lagen nämlich keinesfalls auf einer Linie. Die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 muss auch in diesem Kontext betrachtet werden.
Über die fatalen Auswirkungen dieses gewaltsamen Reformabbruchs sprach im Anschluss Christoph Lieber. Er wies darauf hin, dass damit weitere positive Impulse weitgehend zerstört wurden, so etwa eine undogmatischere Kulturpolitik (hierfür exemplarisch steht die Kafkakonferenz von 1963) oder die Theorieproduktion von Radovan Richta, Zdeněk Mlynář, Ota ik und anderen.
Die Art und Weise der Vorbereitung und Durchführung der Wirtschaftsreform in der DDR von oben sowie deren Konsequenzen standen im Vordergrund des Beitrags von Klaus Steinitz. Er wies an verschiedenen Beispielen, u.a. anhand der vorrangigen Planung strukturbestimmender Aufgaben, nach, wie ihrem Wesen nach gute Ideen durch eine einseitige und völlig überzogene Anwendung zu negativen Ergebnissen geführt und damit diese Ideen auch diskreditiert haben.
Die Reformansätze, um die es in diesem Heft geht, kamen nicht aus der Bevölkerung, sondern sie entsprangen der Wissenschaft oder der Partei. Innerhalb der politischen Strukturen wurde um deren Umsetzung gerungen. Die Bevölkerung sympathisierte nicht selten mit den neuen Ideen und dem Personal, welches diese vertrat. Sowohl materielle Verbesserungen als auch ein Demokratischer Sozialismus entsprachen dem Wunsch der Menschen. Das rigide Ende der Reformen sicherte zwar die Macht der bestehenden Apparatstrukturen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass es langfristig der Legitimität des realen Sozialismus schweren Schaden zufügte.
Hinweis:
Die Beiträge der oben genannten Tagung vom Januar 2000 sind weiterhin erhältlich: "... eine spannende Periode in der Wirtschaftsgeschichte der DDR". Entstehen u. Abbruch des Neuen Ökonomischen Systems in den 60er Jahren. Beiträge eines Workshops, Teil I in Heft 23-1 sowie Teil 2 in Heft 23-2 der Reihe Pankower Vorträge, Helle Panke e.V., Berlin 2000.
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Jörg Roesler
In welchem Maße sollten Wirtschaftsreformen von politischen Reformen begleitet sein?
Alternative Auffassungen und Vorgehensweisen in der ČSSR und in der VR Ungarn sowie die Haltung der UdSSR und der DDR
Ursache und Ziel der Reformen
Der Grund, warum sich mehrere kommunistische Führungen in der ersten Hälfte der 60er Jahre für Reformen zu interessieren begannen, war in diesen Ländern der gleiche: Deren Wirtschaften wurden den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht. Anfang der 60er Jahre war erkennbar, dass die zentralistisch-administrative sozialistische Planwirtschaft nicht hielt, was man von ihr an Leistungskraft gemessen an der Fähigkeit gegenüber den westlichen Ökonomien aufzuholen, sie einzuholen und sie letztlich zu übertrumpfen erwartet hatte. Die Folge: Die Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre mit beträchtlichem propagandistischen Aufwand beschlossenen ehrgeizigen Fünf- bzw. Siebenjahrpläne erwiesen sich schon bald als nicht erfüllbar. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der industriellen Bruttoproduktion für den sozialistischen Aufbau in den 50er Jahren die Vorzeigekennziffer für volkswirtschaftlichen Erfolg ging in der ersten Hälfte der 60er Jahre gegenüber dem vorangegangenen Jahrzehnt in jedem der drei Länder zurück. In Ungarn verringerte sich die Zuwachsrate des Nationaleinkommens im gleichen Zeitraum um ein Drittel.[1] In der Tschechoslowakei stagnierte die Wirtschaft zwei Jahre lang, 1961 und 1962.[2] In der DDR sanken die Zuwachsraten des Nationaleinkommens in der ersten Hälfte der 60er Jahre gegenüber der zweiten Hälfte der 50er Jahre um ein Drittel.[3]
Wenn sich das wirtschaftliche Wachstum nur quantitativ verlangsamt hätte, wäre das vielleicht noch zu verkraften gewesen. Aber es mehrten sich die Zeichen, dass auch die Qualität der erzeugten Produkte den gewachsenen Anforderungen nicht mehr entsprach. Spürbar wurde das einmal daran, dass die Exporte der sozialistischen Länder ins kapitalistische Ausland zurückgingen bzw. sich auf dem Weltmarkt ihre Exportgüter nur noch mit beträchtlichen Preisnachlässen absetzen ließen. Was die Wirtschaftsfachleute besonders beunruhigte, war die Aversion der Betriebe gegen Innovationen. Die war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Betriebsführungen fürchteten, sie könnten die an die Erfüllung bzw. Übererfüllung der Kennziffer Bruttoproduktion gebundenen staatlichen Zuwendungen nicht im vollen Umfang erhalten, wenn sie ihre Aufmerksamkeit zu viel Kraft und Zeit, wie sie meinten der Entwicklung neuer Produkte zuwendeten.[4]
Spürbar wurden Qualitätsmängel zunehmend auch bei Konsumgütern sobald die Käufer inländische mit importierten Erzeugnissen vergleichen konnten. Das ließ viele einfache Menschen das angeblich rückschrittliche System im Westen anders sehen.
Die Weitsichtigen innerhalb der Parteiführungen erkannten, dass sie, wollten sie im ökonomischen Wettbewerb mit dem anderen Wirtschaftssystem Aussicht auf Erfolg haben, das Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre von der Sowjetunion übernommene Planungs- und Leitungssystem grundlegend ändern mussten. Nur so würden sie das Vertrauen der Werktätigen nicht verlieren bzw. wiedergewinnen und unangefochten in Amt und Würden bleiben.
In welche Richtung musste sich die Wirtschaftsführung bewegen, um Lösungen für die angestauten Probleme zu finden?
Antworten von Wirtschafts- bzw. Gesellschaftswissenschaftlern dazu lagen Anfang der 60er Jahre in fast allen osteuropäischen Ländern auf dem Tisch. So von Ota ik in der Tschechoslowakei und von Janos Kornai in Ungarn um nur zwei Wissenschaftler, die nach grundlegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft ihres Landes strebten, zu nennen. Deren Mahnungen waren von der Politbürokratie der Länder bisher wenig beachtet, teilweise als konterrevolutionär diffamiert worden. Die Haltung der Parteiführungen diesen Wirtschaftswissenschaftlern gegenüber änderte sich aufgrund der geschilderten Entwicklungen Anfang der 60er Jahre. Nunmehr akzeptierten die Parteiführer, Antonin Novotny in der Tschechoslowakei, und János Kádár in Ungarn ebenso wie Walter Ulbricht in der DDR, dass die Parteiführung ernsthaft Maßnahmen ergreifen müsse um die ökonomischen Probleme zu lösen. Sie akzeptierten, dass gemäß den Vorschlägen der Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaftler in der Wirtschaftsführung eine Mischung aus zentraler Lenkung über den Plan und betriebliche Eigeninitiative anzustreben ist. Sollte diese in die richtige Richtung gehen, d.h. zu helfen, den Bedarf an modernen hochleistungsfähigen Produktionsmitteln und qualitativ hochwertigen Konsumgütern zu decken, brauchten die Betriebe für die Entfaltung ihrer Eigeninitiative einen Handlungsspielraum. Um diese Eigeninitiative in die gewünschte Richtung zu lenken, galt es, ökonomische Hebel zu entwickeln und anzuwenden. Mit anderen Worten: Um den Übergang von extensivem zum intensiven Wachstum möglich zu machen, bedurfte es einer Symbiose von Plan und Markt.
War das Ziel auch für die Parteiführungen in der Tschechoslowakei, Ungarn und auch in der DDR das gleiche, so gab es doch von Land zu Land unterschiedliche Vorstellungen über die Herangehensweise.
Die Bemühungen um eine Wirtschafts- bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftsreform in der Tschechoslowakei 19651968
Die aus verringertem Wirtschaftswachstum in der ersten Hälfte der 60er Jahre gegenüber dem vorangegangenen Jahrfünft und eines um rund die Hälfte verringerten Zuwachses des Konsumgüterangebots[5] resultierende spürbare Unzufriedenheit der Bevölkerung veranlasste die Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) unter ihrem seit 1953 amtierenden Generalsekretär Antonin Novotny, sich gegenüber Forderungen von parteinahen Wirtschaftswissenschaftlern nach einer Reform des in den 50er Jahren eingeführten, seinerzeit von der Sowjetunion übernommenen Leitungs- und Planungssystems, offen zu zeigen.
Der prominenteste unter diesen Ökonomen zwar zweifellos Ota ik, seit 1961 Leiter des Ökonomischen Instituts der Akademie der Wissenschaften in Prag, der 1964 zum Vorsitzenden der Staats- und Parteikommission für die Wirtschaftsreform avancierte.[6] Hauptforderungen in der von ik inspirierten Diskussion unter Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaftlern waren die Reduzierung des staatlichen Lenkungsapparats und der Übergang von der direkten Mengenplanung der Erzeugnisse zu einer Rahmenplanung, die nur noch die Hauptproportionen der Volkswirtschaft und die strukturrelevanten Investitionen zentral festlegte.[7] Unter aktiver Teilnahme von Ota ik und weiteren Wirtschaftswissenschaftlern wurden Ende 1963 in Thesenform die Grundsätze des Neuen Systems der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft verfasst. Eine revidierte, von der Ständigen Arbeitsgruppe für Leitungsfragen bei der Staatskommission für Leitung und Organisation gebilligte Fassung wurde im Mai 1964 unter dem eher zurückhaltenden Titel Entwurf von Grundsätzen für die Vervollkommnung der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft verabschiedet. Die Thesen blieben zunächst intern, wurden dann aber doch ein halbes Jahr später in der führenden Parteizeitung Rude Pravo veröffentlicht. Eine überarbeitete Fassung, nunmehr Entwurf eines Neuen Systems der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft genannt, verabschiedete das Zentralkomitees (ZK) der KPTsch im Februar 1965. Auch noch in dieser Fassung blieben die Preise zentral geplant. Zu einem Preissystem, das für ein bestimmtes Gütersegment die Preisgestaltung liberalisierte, rangen sich Partei- und Staatsführung in der Tschechoslowakei erst im Mai 1966 durch, als die Grundsätze der beschleunigten Umsetzung des neuen Leitungssystems beschlossen wurden.[8]
Zwischen den erarbeiteten, noch wenig verbindlichen einzelnen Entwürfen und Grundsätzen lagen jeweils größere Zeiträume, woran zu erkennen ist, dass die Führung der KPTsch mit der von Ota ik und anderen Wirtschaftswissenschaftlern wie Zdeněk Mlynář für notwendig erachteten raschen Durchsetzung der Symbiose von Plan und Markt Probleme hatte.[9] Man unternahm auch keine größeren Anstrengungen, die Wirtschaftsfunktionäre der mittleren Leitungsebene und diejenigen in den Betrieben systematisch über die Reformabsichten und -maßnahmen zu informieren, gar nicht zu reden von den Belegschaften,
Zurückzuführen war diese zögerliche Haltung bei der Durchsetzung der Reformmaßnahmen in erster Linie auf Antonin Novotny. Der tschechoslowakische Parteichef zeigte sich, seitdem die Liberman-Diskussion in der Sowjetunion im Herbst 1962 signalisiert hatte, dass Chruschtschow eine Symbiose von Plan und Markt grundsätzlich positiv bewertete, zwar gegenüber den Forderungen der Prager Wirtschaftswissenschaftler aufgeschlossen[10], glaubte aber auf die Bremser der Reformbestrebungen in der KP-Führung, zu denen auch der in der Parteiführung weiterhin einflussreiche ehemalige Vorsitzende der Staatlichen Plankommission Kurt Rozsypal gehörte, Rücksicht nehmen zu müssen. Rozsypal, der 1958/59 für erste Wirtschaftsreformversuche verantwortlich gewesen war, gingen iks Reformvorschläge zu weit. So versuchte er, um ein Beispiel zu nennen, auf der 13. Tagung des ZK der KPTsch im Mai 1966, als es um die Beschleunigung der Reformen ging, iks dazu ausgearbeiteten Vortrag zu vereiteln.[11] Nach Meinung des Dresdener Historikers Karl-Heinz Gräfe war das Verhalten Novotnys und der Führung der KPTsch in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sie es keineswegs riskieren wollten, dass die Reform ihr Monopol und ihre Macht bedroht.[12] Wie dem auch sei: Die ersten praktischen Reformschritte, urteilt der Prager Wirtschaftshistoriker Václav Průcha, wurden (erst) 1966 und 1967 unternommen.[13]
In vieler Hinsicht die Gegenvariante zum Ablauf der Wirtschaftsreform in der ČSSR stellte die ungarische Wirtschaftsreform dar. Es gab aber auch gewisse Gemeinsamkeiten.
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[1] Statisticeskij Ezegodnik Stran-Clenov Soveta Ekonomiceskoj Bzaimopomoczi 1970, Moskau o.J., S. 55.
[2] Zitiert in: Vesper, Karlen: Wo der Schuh nicht drückt. In: neues deutschland v. 28.2.2018.
[3]Landau Zbigniew/Průcha, Václav: The Rise, Operation and Decay of Centrally Planned Economies in Central-Eastern and South-Eastern Europe after World War II, in: Průcha, Václav (Hrsg.): The System of Centrally Planned Economies in Central-Eastern and South-Eastern Europe after World War II and the Causes of its Decay, Prag 1994, S. 30.
[4] Ebd., S. 19.
[5] Vgl. Statisticeskij ezegodnik, a.a.O., S. 46, 58.
[6] Pokorny, Jiri: Die Böhmischen Länder 19181994, Prag 1994, S. 34.
[7]Jancik, Drahomir/Kubu, Eduart: Der erste Versuch einer Reform der zentralen Planwirtschaft in der Tschechoslowakei, in: Boyer, Christoph (Hrsg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen. Tschechoslowakei und DDR im Vergleich, Frankfurt am Main 2006, S. 81 ff.
[8] Ebd., S. 106.
[9]Ebd., S. 77 f.
[10]Brus, Wlodzimierz: 19571965. In Search of Balanced Development, in: Michael Charles Kaser (Hrsg.): The Economic History of Eastern Europe 19191975 Bd. III, Oxford 1986, S. 109.
[11]Ebd., S. 82 f.
[12]Gräfe, Karl-Heinz: Auf- und Abbruch einer erneuerten Sozialismusentwicklung in Osteuropa 1968, in: 1968 Zwischen NÖS, Prager Frühling und neuer Eiszeit. (Pankower Vorträge, H. 150), Berlin 2010, S. 22.
[13]Průcha, Václav: Continuity and Discontinuity in the Economic Development of Czechoslovakia 191891, in: Teichova, Alice (Hrsg.): Central Europe in the Twentieth Century. An Economic History Perspective, Ashgate 1997, S. 31.