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Heft 124: Für eine Neuorientierung der DDR und ihrer Geschichtswissenschaft

Jürgen Kuczynski und die Kontroverse um sein Buch „Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die deutsche Sozialdemokratie. Chronik und Analyse“ Mitte der 1950er Jahre

Von: Anke Geißler

Heft 124: Für eine Neuorientierung der DDR und ihrer Geschichtswissenschaft

Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 124, 2011, 66 S., A5, 3 Euro plus Versand

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INHALT

Einleitung

„Eine schwere Kunst“

Der XX. Parteitag der KPdSU

Die DDR im Jahr 1956

Jürgen Kuczynski – Sein Weg zum Kommunisten und Wissenschaftler

- Jürgen Kuczynski und der XX. Parteitag

- Kuczynskis Historikerstreit

„Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die deutsche Sozialdemokratie“

- Ziel und Inhalt

- Meinungsstreit mit der SED?

- Formelkompromiss

- Kuczynski im Spiegel von Freunden und Kollegen

- Rezensionen und Bezugnahmen im In- und Ausland

Abschließende Bewertung und Wirkung der Auseinandersetzung

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LESEPROBE

Einleitung

„De omnibus dubitandum – man muss an allem zweifeln, außer an der Methodenlehre des dialektischen und historischen Materialismus“[1], war das Credo des weltgewandten Wissenschaftlers und Kommunisten Jürgen Kuczynski. Er war ein Intellektueller, der sich für die Sache der einfachen Menschen engagierte, beobachtete, Konflikte offen benannte und zur Diskussion stellte. Und er war ein Graphomane per excellence, wovon seine Schriften ein einzigartiges Zeugnis ablegen.

Die Impulse des historischen Materialismus wollte J.K., wie er sich gern bezeichnete, für den Sozialismus und die Wissenschaft nutzbar machen und insbesondere nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 aus der stalinistischen Umklammerung befreien. Er forderte für die DDR die Rückkehr zu demokratischen Prinzipien, die nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch die Wissenschaft und ihre Standards betrafen. Weitere Inspirationen erhielt er aus Polen und Ungarn, wohin er langjährige Beziehungen zu Protagonisten der dortigen Reformen unterhielt. Die SED vertrat an diesen Punkten jedoch Positionen, die sowohl durch die außenpolitischen Rahmenbedingungen und die offene „deutsche Frage“ bestimmt waren als auch durch die politische Sozialisation und Überzeugung ihrer führenden Vertreter. Revisionismus war der Schlüsselbegriff ihres Diskurses. Und wer mit diesem Stigma gekennzeichnet wurde, dem haftete ein angeblich mangelndes Bekenntnis zum Sozialismus an. Kuczynski wurde mit diesem Vorwurf zum Paradebeispiel, welche Mittel die SED nutzte, um ihre Kritiker aus den Reihen der Intelligenz zum Verstummen zu bringen.

Ziel dieser Arbeit ist, diesen Dissens und seine Ursachen anhand der Kontroverse um das Buch des Historikers Kuczynski Der Ausbruch des ersten Weltkrieges und die deutsche Sozialdemokratie[2]herauszuarbeiten. Es wurde für ihn zum Fanal einer Disziplinierungskampagne, die er mit neuen Thesen zur Theorie und Geschichte der Arbeiterbewegung ausgelöst hatte. Denn diesem Ansatz stand der Wille der SED gegenüber, ihre eigene Geschichtsdeutung durchzusetzen, um so ihre politischen Entscheidungen historisch zu legitimieren. Hierfür war eine geschlossen auftretende Historikerschaft ebenso nötig wie eine zuverlässige Medienlandschaft. Der Blick auf diese Kontroverse und hinter die Kulissen des herausgebenden Akademie-Verlages leistet darum zugleich einen Beitrag zur Geschichte der veröffentlichten Meinung.

Der hier vorgelegte Text basiert auf Kuczynskis Memoiren und auf den Untersuchungen von Horst Haun[3] und Mario Kessler[4]. Ziel ist, ihre Arbeiten durch die detailreiche Analyse des „Zensur-Systems“ DDR der Autoren um Simone Barck[5] zu ergänzen sowie durch die Dokumente aus dem Nachlass Kuczynskis.

[1] Jürgen Kuczynski, Frost nach dem Tauwetter. Mein Historikerstreit, Berlin 1993, S. 6.

[2] Ders., Der Ausbruch des ersten Weltkrieges und die deutsche Sozialdemokratie. Chronik und Analyse, Berlin 1957.

[3] Horst Haun, Kommunist und „Revisionist“. Die SED-Kampagne gegen Jürgen Kuczynski (1956–1959), Dresden 1999.

[4] Mario Kessler, Dogma und Dialektik. Jürgen Kuczynski (1904–1997), in: ders., Exilerfahrung in Wissenschaft und Politik. Remigrierte Historiker in der frühen DDR, Köln, Weimar, Wien 2001.

[5] Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis, „Jedes Buch ein Abenteuer“. Zensur-System und literarische Öffentlichkeiten in der DDR bis Ende der sechziger Jahre, Berlin 1997; Siegfried Lokatis, Der rote Faden. Kommunistische Parteigeschichte und Zensur unter Walter Ulbricht, Köln, Weimar, Wien 2003.

  • Preis: 4.00 €