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Heft 153: Globalisierung und Militarisierung

Von Kriegsschuld und Friedensdenken seit 500 Jahren

Von: Helmut Bock

Heft 153: Globalisierung und Militarisierung

Reihe "Pankower Vorträge", Heft 153, 2010, A5, 72 S., Preis 3 Euro plus Versand

Inhalt

An Stelle eines Vorworts
Krieg, Handel und Piraterie
Zeitalter bürgerlicher Revolutionen
Die Waffen nieder!
Warnung vor Weltkrieg und Menschheitskatastrophe
Wenn der Russe erledigt ist ...
Erinnerung für Deutsche
Die Bombe
Zeitalter atomarer Massenvernichtung
Alles vergessen?
Wie Deutschland abermals kriegsschuldig wurde

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LESEPROBE

Krieg, Handel und Piraterie Zeitalter bürgerlicher Revolutionen

Auf den ersten Blick scheint es kaum schwierig zu sein, eine Zustimmung für Frieden zu gewinnen. Doch aufrichtige Friedensliebe – Pax ohne Augenzwinkern – war und ist eine stets gefährdete Utopie. Schon vor fünfhundert Jahren wurde Europa mit den übrigen Weltregionen übel verstrickt. Unter dem Zeichen des Kreuzes segelte Kolumbus nach Indien und fand die Gestade Amerikas (1492). Noch war er auf seiner zweiten Schiffsreise mit der Entdeckung von Kuba, Jamaika und Puerto Rico befasst, noch war Vasco da Gama zur Umsegelung des Südkaps von Afrika nicht aufgebrochen, also die Seefahrt nach Indien nicht gelungen – da schon gerieten die Völker der Erde in die Raubfänge zweier Staaten Europas.

Die Königreiche Spanien und Portugal, am Atlantik gelegene römisch-katholische Feudalmächte, beanspruchten Weltherrschaft. Sie teilten die außereuropäischen Länder und Meere an einer Meridianlinie unter sich auf, die 370 Seemeilen westlich der Kapverdischen Inseln verlief. Ihre Verträge von Tordesillas (1494) und Saragossa (1529), die Spanien die westliche, Portugal die östliche Hemisphäre und überdies beiden die Teilung des Pazifik zusprachen, usurpierten das Recht, Kolonialreiche zu erobern und sämtliche Schiffe anderer Länder zu verfolgen. Dieser Anmaßung globaler Hegemonie erteilte der Papst in Rom namens des „göttlichen Friedens“ seinen allerhöchst christlichen Segen.

Es schien riskant, solche Friedenspolitik als das zu bezeichnen, was sie wirklich war. Erasmus von Rotterdam schlüpfte eigens unter die Schellenkappe der Torheit, um in dieser närrischen Verkleidung die hohen Priester der Papstkirche zu beschuldigen. „Ich habe noch nicht in Erfahrung bringen können, ob sich in betreff des Krieges die Päpste nach dem Vorbild einiger deutscher Bischöfe richten oder ob diese Bischöfe nach dem Beispiel der Päpste handeln [...]. Ohne sich um den Gottesdienst, den Segen oder die anderen Pflichten ihres Amtes zu kümmern, atmen sie nur Krieg und immer Krieg, so dass es fast für feige und der [...] Ehre nicht entsprechend gilt, anderswo als in der Schlacht den Heldengeist zum Ruhme Gottes aufzugeben.“[1] Nach den Worten eines gehässigen Klerikers legte Erasmus die Eier, die Martin Luther ausbrütete. Verschanzt hinter seinem Schreibpult und den Tumult, den offenen Aufruhr scheuend, setzte Roterodamus auf die milde Wirkungskraft des Geistes. Aber sein kritischer Humanismus nährte die Reformation des geistlichen Rebellen zu Wittenberg, schließlich gar die sozialen Empörungen der Bauern, Bergknappen und Armeen unter der Fahne des Bundschuhes und des Regenbogens. Aus Schrift und Rhetorik des Humanismus erwuchsen die Empörungen des vielgestaltigen Protestantismus gegen die Allmacht der römisch-katholischen Papstkirche.

Was aber waren die Resultate? Die sozialrevolutionären Empörer des Volkes wurden niedergemacht, ihre Spuren in Strömen von Blut verwischt. Luthers Reformation aber, politisch gesichert im Bündnis mit wohlhabenden Städtebürgern und papstfeindlichen Fürsten, siegte in weiten Gebieten Deutschlands und Nordeuropas: durch die Erneuerung von Religionsgemeinden, Staatskirchen, Landesgesetzgebungen – nicht zuletzt die profitable Enteignung des römisch-katholischen Grundbesitzes. Dennoch musste der Reformator seine Mühen mit Enttäuschung quittieren. Die Kirchenspaltung zog den Religionskrieg nach sich. Und die bessere, wahrhaft christliche Lebensordnung, die ihm vorgeschwebt hatte, misslang auch in protestantischen Landen, nicht zuletzt infolge des von ihm selbst aufgeputschten Bürgerkriegs und Massenmords an Plebejern und Bauern. Durch Waffengewalt entarten Staat und Gesellschaft in Willkür und Hass, sittlicher Verrohung und Verwahrlosung.

 

[1] Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Kap. 60, Ulm 1534, zit. n. d. Ausgabe v. Claus Träger, Leipzig 1987, S. 124.

 

  • Preis: 4.00 €
  • Erscheinungsjahr: 2010