Von: Lutz Heuer
Reihe: "hefte zur ddr-geschichte", Heft 135, 2015, 64 S., 2., erweiterte und aktualisierte Auflage
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Autor: Lutz Heuer, Historiker, Berlin
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Der Umgang mit der Berliner Zeitgeschichte gehört zu den Schwerpunkten der politischen Bildungsarbeit der „Hellen Panke“ e.V.
Zahlreiche Wissenschaftler und Publizisten förderten und fundierten mit ihren Forschungsergebnissen die Auseinandersetzung mit der Berliner Geschichte und standen dabei als Gesprächspartner in Veranstaltungen unseres Vereins Rede und Antwort.
Wir bedanken uns bei Lutz Heuer für die Möglichkeit, sein erweitertes und aktualisiertes Forschungsmaterial in einer Neuauflage seiner 2001 herausgegebenen Publikation hier vorstellen zu können. Von besonderem Interesse ist dabei einerseits sein Bemühen, das Wirken der Antifaschisten im Berliner Nachkriegsmagistrat heute angemessen zu würdigen, und andererseits, Einblicke in die verschleppende und letztlich ablehnende Haltung zuständiger Dienststellen im heutigen Berliner Senat gegenüber diesem Erbe zu ermöglichen.
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INHALT
Die Entstehung der so genannten Magistratssiedlung im „Getreideviertel” von Biesdorf im Jahre 1945
Erinnerungen an die Bewohner der Magistrats- und Prominentensiedlung
Zum Umgang mit dem Andenken an die Mitglieder des ersten Berliner Magistrats nach 1989/90
Biographisches zu einigen der namhaften Bewohner der Siedlung in Biesdorf
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LESEPROBE
Für Biesdorf war der Krieg mit dem Eintreffen der Roten Armee am 22. April 1945 beendet. Während in der Stadtmitte Berlins noch die Kämpfe tobten, wurden durch die sowjetischen Militärbehörden in den Außenbezirken bereits Ortskommandanturen eingerichtet. Nahezu parallel erfolgte der Aufbau einer provisorischen deutschen Kommunalverwaltung. Antifaschisten aller Richtungen stellten sich dafür zur Verfügung. Der Verwaltungsbezirk Lichtenberg wurde Sitz der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Als Oberbürgermeister Berlins setzte der sowjetische Stadtkommandant Nikolai Bersarin am 17. Mai 1945 den parteilosen Dr. Arthur Werner ein. Zahlreichen Stadträten, KPD-Funktionären, Sozialdemokraten, aber auch Parteilosen, auch Künstlern, die aus der Emigration heimkehrten, wurde hier ihr Wohnsitz zugewiesen. Die meisten von ihnen verfügten über keine eigenen Unterkünfte, da sie eben erst aus dem Exil oder aus Konzentrationslagern und Zuchthäusern zurückgekehrt waren. Diese besondere Ansiedlung wurde später im Volksmund „Magistratssiedlung” genannt.
Andere blieben in ihren Stadtbezirken wohnen, da sie über eigenen Wohnraum verfügten. So u.a. Prof. Ferdinand Sauerbruch, Prof. Hans Scharoun, Dr. Erich Siebert, Probst Heinrich Grüber und Domkapitular Peter Buchholz. Als „Magistratssiedlung” hörte das „Getreideviertel“ aber bereits mit den Wahlen vom 20. Oktober 1946 auf zu bestehen. Einige von ihnen zogen nach Pankow in das so genannte „Städtchen”, andere in den Westteil der Stadt. Einige, wie Hermann Landwehr, Martha Arendsee, Ernst Kehler, Paul Schwenk, Hedwig Linke, Gustav von Wangenheim, Eduard von Winterstein, Arthur Pieck, blieben bis zu ihrem Lebensende hier und wurden Biesdorfer. Gleichwohl war auch in den Folgejahren der Zustrom von Funktionären, Intellektuellen und Kulturschaffenden nach Biesdorf außerordentlich, so dass der Ort für lange Zeit das Fluidum einer Prominentensiedlung besaß.