Philosophische Gespräche
Von Aischylos bis Marx und darüber hinaus firmierte Prometheus, der dem Menschen zuliebe die offene Konfrontation mit den olympischen Göttern gesucht hatte, als Heros der Aufklärung und Sachwalter menschlicher Emanzipation. Angesichts der Zerstörungsleistung allerdings, die der vermeintlich vollends aufgeklärte Mensch während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewerkstelligt hatte, fiel der Titan in Ungnade. Wo sich die Errungenschaften des menschlichen Eigensinns als neue, technisch hochgerüstete Barbarei offenbarten, sollte auch die Figur ihres Ursprungs, Prometheus, nichts mehr gelten. Im philosophisch-kulturkritischen Diskurs des Nachkriegs wird er zum Symbol menschlicher Hybris und die Begriffe titanisch und prometheisch werden nur mehr pejorativ gebraucht. In der jungen BRD beginnt das Zeitalter jener friedliebenden Deutschen, die sich nicht mehr über die Natur erheben wollen und die Versöhnung mit den leichtlebenden Göttern Homers suchen. Von prometheischer Scham (Günther Anders), technischem Titanismus (Ernst Jünger) und prometheischer Herrschsucht (Friedrich Georg Jünger) ist nun die Rede und neue Theologie (Ernst Jünger), naturfromme Demut und Gelassenheit (Martin Heidegger) begründen eine Abkehr von Prometheus und dem aufklärerischen Fortschrittsdenken als Hinwendung zu jenem ruhenden Seinszusammenhang, den Zeus der Herr einst angeordnet hatte. Diese mythologische Anamnesis gilt es kritisch zu untersuchen, denn sie ist nicht nur von Demut und Friedensliebe getragen, sondern auch von zivilisationsfeindlichem Furor und antimodernem Ressentiment.
Referent: Christian Voller