Philosophische Gespräche
Hannah Arendt hat Marx und Kierkegaard neben Nietzsche mit Respekt „Rebellen des 19. Jahrhunderts“ genannt. Sie verbindet ihr Urteil mit der Konstatierung des Bruchs gegenüber der philosophischen Überlieferung, der für sie selbst zum Ausgangspunkt wird. Anstoß und Abstoß zugleich ist für Arendt der Geschichtsbegriff, durch den Kierkegaard und Marx sich von der Tradition absetzen und das Freiheitsproblem neu verorten. Arendt verwendet die Metapher des Sprungs, den Sprung aus dem Zweifel in den Glauben (Kierkegaard), den „Sprung aus der Theorie in die Praxis, aus dem Denken in die Arbeit, aus der Philosophie in die Politik“ (Marx), um die Zwiespältigkeit des jeweiligen Neuansatzes festzuhalten. So wird nach Arendt die Verbindung von Freiheit und Angst bei Kierkegaard auf das „innere“ Handeln und die von Freiheit und Notwendigkeit bei Marx auf das „äußere“ Handeln reduziert und damit die Chance des Anfangens vertan. Mit und gegen Kierkegaard und Marx profiliert sie dann ihre eigenen Überlegungen zum politischen Handeln, und zwar im Rahmen einer politischen Theorie, die keine Philosophie im traditionellen Sinne mehr sein will.
Referentin: Dr. Uta Eichler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Philosophie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie. Sie hat zu Kierkegaard promoviert und einige seiner Werke herausgegeben; zuletzt erschienen von ihr die beiden gemeinsam mit Arne Moritz herausgegebenen Bände Ethik kompetenzorientiert unterrichten (Vandenhoeck & Ruprecht 2016).