Philosophische Gespräche
Die Schlußpassage des Hauptteils der Negativen Dialektik Adornos beginnt mit dem Satz: „Durch den Übergang zum Vorrang des Objekts wird Dialektik materialistisch.“
Auf den folgenden Seiten wird zum einen der notwendig materialistische Charakter konsequenter Dialektik, zum andern der notwendig philosophische Charakter eines nicht dogmatischen Materialismus herausgearbeitet. Das Ziel ist ein Begriff von Kritik, der mit „gesellschaftlich verändernder Praxis“ konvergiert.
Mit der Betonung der leiblichen Existenz des Subjekts, aufgrund derer das Subjekt eben auch immer ein Objekt sei, begründet Adorno den Vorrang des Objekts und verbindet damit eine Kritik an der neuzeitlichen Erkenntnistheorie von Descartes bis Kant und Hegel: Deren Objektivitäts- und Allgemeinheitsanspruch werden mit der Beschädigung des Subjekts, der abstrakten Überformung seiner Individualität, in Verbindung gebracht, und das gilt ebenso für die naturwissenschaftliche Erkenntnis und die technische Naturbeherrschung.
Offensichtlich ist aber Naturbeherrschung eine notwendige materielle Bedingung dafür, daß Menschen überhaupt menschenwürdig, das heißt selbstbestimmt leben können und nicht den Naturgewalten ausgeliefert sind. Die moderne Zivilisation, in der Menschen immer weniger der rohen Natur bloß ausgeliefert sind (ohne freilich deshalb auch schon selbstbestimmt zu leben), ist ohne die methodischen Voraussetzungen moderner Naturerkenntnis, deren philosophische Reflexion der universale Subjektbegriff ist, nicht denkbar. Auf welche Weise verfällt die Sicherung der materiellen Bedingungen eines selbstbestimmten Lebens nun der materialistischen Kritik?
Der Vortrag untersucht, wie weit Adornos Materialismus reicht und woran er seine Grenze findet. Insbesondere wird zu fragen sein, wie weit Adornos Wissenschaftskritik die "gesellschaftliche Funktion der Naturwissenschaften" (Bulthaup) berücksichtigt und von welchem Kapitalbegriff sie ausgeht.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Institut für Sozialtheorie Bochum e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Referent: Priv.-Doz. Dr. phil. Michael Städtler (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Philosophisches Seminar)