Linke Metropolenpolitik
Im Jahr 2013 wurde bei der Mietrechtsreform unter der schwarz-gelben Bundesregierung die Energetische Sanierung als Modernisierungsmaßnahme im § 559 BGB eingeführt.
Die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnraum können und werden in den meisten Fallen zu 11% pro Jahr auf die MieterInnen umgelegt. Diese Modernisierungsumlage ist in § 559 BGB geregelt. Eine Modernisierungsmieterhöhung kann der Vermieter verlangen bei baulichen Veränderungen in der Wohnung, die den Wohnwert (z. B. einen Balkon) erhöhen oder eine nachhaltige Energieeinsparung bewirken. Ob sich die Energieeinsparung für die MieterInnen rechnet, ist egal. Auch nach der Finanzierung der Baumaßnahme kann der Vermieter die höhere Miete weiter kassieren.
Ein Rechenbeispiel: Modernisierungskosten = 1000 Euro. 1000 Euro x 11:100:12=9,17 Euro pro Monat. Nach 10 Jahren also 9,17x12x10 hat der Vermieter 1100,40 Euro eingenommen und den Wert seiner Immobilie auf Kosten des Mieters erhöht. Bei einer Erhöhung des Wohnwerts hat der Mieter noch etwas direkt davon, bei einer energetischen Sanierung in der Regel nicht, da die Baukosten oft die Energieeinsparungen bei weitem übertreffen.
Die energetische Sanierung kommt vor allem bei noch günstigen Mietwohnungen zum Einsatz. Sie ist zu einem Werkzeug geworden, um BestandsmieterInnen aus ihren Mietwohnungen zu verdrängen. Das führt auch zu einem generellen Anstieg des Mietspiegels.
Noch gibt es aufgrund der Kürze der Zeit keine allgemeinen Zahlen, wie viele MieterInnen nach energetischer Sanierung ihre Wohnungen verlassen mussten, weil sie sich die neue Miete nicht mehr leisten konnten.
Stadtsoziologe Christoph Schiebe hat die "Verdrängung von Bestandsmieter*innen durch Modernisierungsumlage" in Pankow untersucht. Er wird von seiner Forschungsarbeit berichten und zu welchen Ergebnissen er gekommen ist.
Rechtsanwältin Carola Handwerg gehört dem AK Mietrecht im Republikanischen Anwältinnen und Anwälte Verein e. V. (RAV) an. Der RAV fordert die Streichung des § 559 BGB, welche die Modernisierungsumlage regelt.
Moderation: Fabian Kunow
Diese Abendveranstaltung ist eine Kooperation von Helle Panke e. V. - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und dem Republikanischen Anwältinnen und Anwälte Verein e. V. (RAV)
Bericht von Peter Nowak im "neuen deutschland":
Führt energetische Sanierung zu Verdrängung? Dieser Frage widmeten sich am Mittwochabend im Bildungsverein Helle Panke der Stadtsoziologe Christoph Schiebe und die Rechtsanwältin Carola Handwerg. Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Technischen Universität Berlin hatten sie die Verdrängung von Bestandsmietern durch die energetische Modernisierung in Pankow untersucht. Bisher gab es darüber kaum Daten. »Viele energetische Sanierungen sind den Behörden gar nicht bekannt«, sagte Schiebe. Informationen bekam er letztlich vom Mieterforum Pankow, das sich schwerpunktmäßig mit den Folgen von energetischer Sanierung auf die Bewohner befasst. Zudem führte er Interviews mit Betroffenen.
Besonders von Verdrängung betroffen waren seinen Ergebnissen zufolge Alleinerziehende, ältere Menschen, Hartz-IV-Empfänger und Studierende, die in Wohngemeinschaften leben. 107 Mieter waren 18 Monate nach Beginn der energetischen Modernisierung in ihren Häusern ausgezogen. Schiebe spricht von einer Reduzierung der Bewohner um 30 Prozent. Doch die Zahl der verdrängten Mieter sei höher, betonte Schiebe. Nicht erfassen konnte er die Bewohner, die sofort ausgezogen seien, nachdem sie von der geplanten energetischen Sanierung erfahren hatten. Es sei regelmäßig zu beobachten, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen aus Angst vor hohen Mieten schnell ausziehen.
Schiebes Fazit: Trotz individueller Beratung, Kappungsgrenzen und Härtefallregelungen konnte die Verdrängung von Mietern in Pankow durch energetische Sanierung nicht substanziell verhindert werden. Beraten lassen sich viele von Verdrängung bedrohte Mieter von der Rechtsanwältin Carola Handwerg. Ihr zufolge wird energetische Sanierung oft bewusst zur Verdrängung genutzt. Handwerg ist Mitglied des Arbeitskreises »Mietrecht« im »Republikanischen Anwältinnen und Anwälte Verein«. Der fordert die Abschaffung des Paragraphen 559 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der die Grundlage für die energetische Sanierung bildet. »Damit werden günstige Wohnungen dem Markt entzogen und Menschen mit geringen Einkommen haben keine Chance.«
Dass energetische Sanierung nicht immer sinnvoll ist, zeigte Handwerg am Beispiel eines Hauses in der Pestalozzistraße. Ein Teil der Mieter hatte die energetische Sanierung akzeptiert, der andere Teil verweigerte sie. Mittlerweile stellte ein Gutachten fest, dass der Energieverbrauch in den sanierten Wohnungen sich nicht von dem in den unsanierten Teilen des Hauses unterscheidet. Handwerg bezeichnete dass Ergebnis als Glücksfall, das helfen könne, auch juristisch weiter gegen eine Methode vorzugeben, die sich auf die Umwelt beruft und der Verdrängung dient.