Berlin von unten
Bitte melden Sie sich direkt über das Brecht-Haus zu der 2-tägigen Veranstaltung an. Es können auch Tagestickets erworben werden:
Das Wohnen wird in Stücken, Prosa, Gedichten und Interviews von Brecht und Müller vielschichtig gezeichnet. Dabei lässt sich ein historischer Wandel des Blicks auf das Wohnen aus einer Gegenüberstellung der beiden Autoren ablesen. Während Brecht in einem Gedicht dazu aufruft: „Hilft, das Land zu bebauen, das wir verfallen ließen, und / Die wir verpesteten, die Städte / Bewohnbar zu machen“, heißt es bei Müller: „Unsere ökologischen Probleme sind allenfalls durch Evakuierung auf andere Planeten zu lösen [...]. Alle können sie aber von der unbewohnbaren Erde nicht weg, und dann wird ausgewählt. Wer fährt mit?” Die bei Müller formulierte Frage nach dem ‚Recht auf Wohnen‘ in der Zukunft – „Die Reaktion auf den Wirtschaftskrieg gegen das Wohnrecht ist der Krieg gegen die Wohnungslosen” – stellt Brecht mit Akzent auf der Vergangenheit, wenn er die „alltäglich erscheinenden / Tausendfachen Vorgänge in verachteten Wohnungen / Unter den Vielzuvielen als historische Vorgänge“ untersucht.
Neben Fragen nach der literarischen Verhandlung der ‚Bewohnbarkeit‘ der Erde, dem ‚Recht auf Wohnen und Exil- und Migrationsdynamiken diskutieren vor allem Nachwuchswissenschaftler:innen die Wohn- und Schreibstätte in ihrer Beziehung zum literarischen Text wie die metaphorisch-ästhetischen Dimensionen des Wohnens als Lebenspraxis. Die im Programm vorgesehene Abendveranstaltung aktualisiert und verschiebt die Perspektive: Eine Lesung und ein sich anschließendes Gespräch nimmt die Frage in den Blick, wie Wohnen und Schreiben speziell für Schriftsteller:innen zusammenwirken und was das für die Literatur bedeutet. Denn während die gesellschaftliche Situation sich für Autor:innen zwar gebessert hat, ist das Schreiben durch die Ressourcenkämpfe der gentrifizierten Stadt auch heute noch eine Frage des verfügbaren Raumes.
Inhaltliche Organisation: Sophie König, Marten Weise, Noah Willumsen
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Literaturforum im Brecht-Haus, der Internationalen-Brecht-Gesellschaft, der Internationalen-Heiner-Müller-Gesellschaft und dem Frauenförderfonds Freie Universität Berlin.
Donnerstag 2.12.2021 19.30 Uhr
Ein Zimmer für sich? Wohnen und Schreiben in einer Stadt im Wandel
Mit Anke Stelling und Ilka Piepgras Moderation Ulrike Vedder
Begrüßung und thematische Einführung Sophie König, Marten Weise und Noah Willumsen
Was Virginia Woolf in ihrem Text »A Room of One's Own« schon 1929 beschrieb, verliert bis heute nicht an Aktualität: Um Schreiben zu können, braucht es zunächst einmal Raum. Räume, gerade jene für schreibende Frauen, sind dabei immer noch rar. Häufig sind sie prekär und stehen im Kontext wirtschaftlicher Zwänge und begrenzter Schreibzeit. Das trifft ebenso auf das private Schreibzimmer zu wie auf den öffentlichen Literaturbetrieb. So ist das Schreiben durch die Ressourcenkämpfe der gentrifizierten Stadt besonders heute wieder eine Frage des verfügbaren Raumes.
Freitag, 3.12.2021
Workshop „Wohnen in der leeren Mitte“
Panel 1: Dazwischen Wohnen. 10:00–12:00 Uhr
Respondenz: Julia Weber
Fanti Baum (Dortmund): Wohnen ohne Zusammenhänge. Vier Fundstücke für einen experimentellen Text: Aufschlagen – zur Ruhe kommen – geräumig (sein/haben) – anwesend sein
Caroline Adler (Berlin): „Es gibt viele Arten neue Grenzen zu errichten“ – Steyerl/Benjamin und die leere Mitte
Shu Ishimi (Leipzig): Wohnen wollen und Schauspiel sehen – Landschaftserfahrung im Theater anhand Heiner Müllers »Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten«
Panel 2: Wohn- und Schreibszenen. 13:00–15:00 Uhr
Respondenz: Cornelia Ortlieb
Lara Tarbuk (Berlin): „Man muss versuchen, sich einzurichten in Deutschland!“ Möbel in Brechts frühen Stücken
Marie Millutat (Berlin): Collage und Exil. Zur materiellen Seite der Montagetechnik bei Brecht
Stephan Strunz (Bochum): Die Kartierung des Elends: Die Berliner Wohnungsenquete 1901–1920
Panel 3: Wohnen in Bewegung. 15:30–17:30 Uhr
Respondenz: Marc Silberman
Luke Beller (Baltimore/Berlin): Der Nachkomme Sokrates‘: Von der kosmopolitischen Haltung Herrn Keuners
Katharina Schmid-Schmidsfelden (Bloomington): „Wohnen in der leeren Mitte“: Zwischenräume der Migration in Heiner Müllers »Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten«
Matthew Hines (Birmingham): Ankunft im Theater: Models of Socialist Drama in Brecht and the Müllers
Bookpreview: 17:30–18:00 Uhr
»Unsere Hoffnung heute ist die Krise« Interviews 1926–1956 (Druck in Vorbereitung)
Vorstellung der Publikation zu Brechts Interviews von Noah Willumsen
20 Uhr
Projektpräsentation und Gespräch:
Das »Breadshop Dramaturgy Lab«: Ein Theaterlaboratorium zu Brechts »Brotladen«-Fragment
Mit Henrik Adler, Phoebe von Held und Lizzie Stewart
Moderation Marc Silberman
Eine Kooperationsveranstaltung von Helle Panke, dem Literaturforum im Brecht-Haus, der International Brecht Society und der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft.