Forum Wirtschafts- und Sozialpolitik
„Souffrance parle … France parle …“ Dieses Wortspiel, „Das Leiden spricht … Frankreich spricht“, steht auf dem Buchumschlag der französischen Originalausgabe von Pierre Bourdieus Kollektivstudie „Das Elend der Welt“ über den französischen Gegenwartskapitalismus.
Slave Cubela, der Autor von „Wortergreifung, Worterstarrung, Wortverlust. Industrielle Leidarbeit und die Geschichte der modernen Arbeiterklassen“ (Münster 2023), holt noch weiter aus. Zentriert um den Arbeit-Sprache-Nexus, den Individuen in ihrer Reproduktion determinieren, innerhalb dessen aber auch individuelle und kollektive Distanzierungsprozesse wie moderne Klassenbildungsprozesse als kollektive Wortergreifung stattfinden können, spannt Cubela den Bogen dreier Epochen industrieller Leidarbeit.
Mit der französischen Revolution ergreift auch die Arbeiterklasse das Wort, diese kollektive Wortergreifung im frühen 19. Jahrhundert geht im Fordismus des 20. Jahrhunderts zunehmend in die Worterstarrung ritualisierter Arbeits- und Tarifkämpfe über und führt unter der Hegemonie des Neoliberalismus zu Sprachlosigkeit angesichts immer noch nicht überwundenen Arbeitsleids. Aber Cubela hält es mit Adorno: „Das Bedürfnis, Leiden beredt werden zu lassen, ist Bedingung aller Wahrheit. Denn Leiden ist Objektivität, die auf dem Subjekt lastet; was es als sein Subjektivstes erfährt, sein Ausdruck, ist objektiv vermittelt.“
Anhand dreier unterschiedener, großer Gruppen der Arbeiterschaft – der überflüssigen Arbeiter, der fluiden Arbeiter und der Kernarbeiter – lotet er deren sprachliches und gedankliches Instrumentarium im beginnenden 21. Jahrhundert aus, sich im Sinne von E.P. Thompsons „The Making of the Working Class“ auch selbst zu ermächtigen.
Referent: Slave Cubela ist Redakteur bei „express. Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“, war Betriebsrat und ist gewerkschaftlicher Organizer.
Moderation: Christoph Lieber