Konferenz
Gerne wird heute über die Versäumnisse der Aufarbeitung von Kolonialgeschichte diskutiert, selbst Könige entschuldigen sich und Bundesregierungen suchen nach Wegen der Entschädigung. Berechtigt werden Befindlichkeiten der heutigen Nachfahren kolonial unterdrückter, ausgerotteter Völker in den Mittelpunkt gerückt. Klassismus, Feminismus, postkoloniale Identitäten sind heute berechtigte, wenn auch verkürzte Schlachtrufe sozialer Emanzipation.
Zu wenig wird aber nach dem Zusammenhang von imperialistischer Politik, kolonialer Politik und Rassismus gefragt. Die Illusion, alle Unterdrückungen und Expansionen spätestens seit 1492 über einen Leisten zu schlagen ist groß. Machtpolitik hat tatsächlich immer Eroberung, Unterwerfung und Auspressung fremder Völker bedeutet – ob jenseits des Großen Teiches oder in den nahen europäischen oder nordamerikanischen Peripherien – Indigene in Kanada und den USA, in Skandinavien oder im russischen Imperium ebenso wie ganze Staaten zwischen China, Korea, Mexico oder Ägypten waren im 19. Jahrhundert Ziel von Expansion und Ausbeutung.
Zu wenig wird über die neue Qualität gesprochen, die diese Entwicklung mit dem Eintritt in den Imperialismus Ausgang des 19. Jahrhunderts genommen hat und die bei allen Wandlungen bis zum heutigen Ringen um eine multipolare Weltordnung anhält. Neue technische Möglichkeiten, neue Wirtschaftsstrukturen dank der Monopole sorgten dafür, dass neben der brutalen Auspressung und Unterdrückung eine diffizile Aneignung fremder Rohstoffe und Arbeitskräfte erfolgen konnte und bis heute wirkt. Immer dann, wenn es Widerstand gab – in Deutsch-Südwest, in Indien, in China, in den nordamerikanischen Prärien –, schlug staatliche Gewalt der beherrschenden Staaten zu: brutal, ausrottend, unterwerfend, auch korrumpierend. Der Zusammenbruch des Ostblocks 1989/91 und exemplarisch der DDR rücken imperialistische Unterwerfung und koloniale Aneignung in ein neues Licht, das auch den globalen Süden jenseits der einstigen Systemkonfrontation betrifft.
In diesen Zusammenhang von repressiver imperialistischer Politik, Widerstand und politischer Auseinandersetzung einige Schlaglichter zu setzen, soll Gegenstand dieser Konferenz an einem geschichtsaffinen Ort, dem Afrika-Haus Berlin, sein.
Referate:
Stefan Bollinger
Imperialismus bedeutet Kolonialismus im Wandel der Zeiten und Begriffe
Oumar Diallo
Spurensuche und Spurensicherung in einer postkolonialen Metropole: Berlin
Oumar Diallo – Führung durch die Ausstellung "Nationalsozialismus und Kolonialismus" im Afrika-Haus
Nina Paarmann (via Zoom aus Togo)
Der europäische Nationalstaat als koloniales Gendernarrativ?
Bafta Sarbo
Rassismus, Identität und Marxismus
Christina Focken
Auseinandersetzung um deutsche Kolonialgeschichte – Chance oder Feigenblatt
Aert van Riel (ab 18.00)
Dem Vergessen entreißen: Des Kaisers Vernichtungskrieg in Ostafrika
Luregn Lenggenhager
Land, Naturschutz und Tourismus in Namibia. Eine Geschichte (neo-)kolonialer Ausbeutung?
Ulrich van der Heyden
Der Umgang der Deutschen mit der kolonialen Vergangenheit – immer noch nach dem Motto „Am deutschen Wesen…
Yana Milev (u.V. wg. Mutterschaft)
Das neoliberale Kolonisierungsparadigma am Beispiel der DDR-Annexion
Moderation: Karlen Vesper, Redakteurin nd