Philosophische Gespräche
1980 erschien in Paris die »Verteidigungsschrift« Mémoire en défense, in der Robert Faurisson, ein bis dahin recht unbekannter Literaturwissenschaftler, die systematische Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg bestritt. Bedeutsamer als seine wissenschaftlich verbrämte Leugnung des Holocaust war allerdings die Tatsache, dass das Buch in einem linksradikalen Verlag herauskam und den Beifall von Leuten fand, denen man es am wenigsten zugetraut hätte. »Die Faurisson-Affäre treibt merkwürdige Blüten«, stellte Alain Finkielkraut in seinem 1982 publizierten Essay L’avenir d’une négation fest, der nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Die orthodoxe Linke nahm Faurissons Revision der Geschichte dankbar auf, weil Auschwitz ohnehin nicht in ihr Konzept von Klassenkampf und Fortschritt passte, während die antitotalitäre Linke seinen Vorstoß insofern begrüßte, als er es ihr erleichterte, Hitler und Stalin endgültig gleichzusetzen.
Die »Zukunft einer Negation«, so der Originaltitel, entspricht unserer Gegenwart. Bald vierzig Jahre nach dem bundesdeutschen Historikerstreit, in dem die Präzedenzlosigkeit der Shoah von rechts, nämlich unter Verweis auf die Verbrechen des Stalinismus in Abrede gestellt wurde, sucht man sie heute von links zu relativieren, und zwar mit Blick auf die Verbrechen des Kolonialismus. Diese »Zeitenwende«, wie er sie nannte, hat Finkielkraut in den 1980er Jahren bereits verblüffend scharfsichtig beschrieben, auch in Büchern wie Der eingebildete Jude, Die Niederlage des Denkens und Die vergebliche Erinnerung, an die bei dieser Gelegenheit – hoffentlich nicht ganz vergeblich – zu erinnern wäre.
Dr. Christoph Hesse, Film- und Literaturwissenschaftler, arbeitet am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Unter dem Titel Revisionismus von links. Überlegungen zur Frage des Genozids (Freiburg/Wien 2025) erschien soeben seine Übersetzung von Alain Finkielkrauts L’avenir d’une négation. Réflexion sur la question du génocide (Paris 1982).