Dienstag, 12. Januar 2010, 19:30, tazcafé, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin

Iran – Revolution 2.0?

Die Bewegung gegen Ahmadinedschad und die Rolle der neuen Medien

tazcafé

Aufruhr in Teheran: Manipulationen der Präsidentschaftswahlen im Sommer 2009 boten den Anlass für massive Proteste gegen die iranische Regierung. Handyvideos und soziale Netzwerke halfen, die Bewegung zu organisieren und bekannt zu machen. Ein Beispiel für die Macht der neuen Medien? Oder ein Zeichen dafür, dass die iranische Mittelschicht protestiert? Warum umarmen deutsche Politiker und Medien die Protestbewegung?

Es diskutieren:

Yalda Zarbakhch, Medienwissenschaftlerin
Sara Dehkordi, Netzwerk junger Iraner in Berlin
Ali Fathollah-Nejad, Politologe
Sam T. Fard, Journalist (tageszeitung)
Rüdiger Göbel, Journalist (junge Welt)

Moderation: Oliver Kontny

Gemeinsame Veranstaltung mit LiMA und der tageszeitung.

"Lebhafte Debatte über Blogs und Bewegung im Iran" (kurzer Veranstaltungsbericht)
Mehr als 130 Gäste kamen am 12. Januar zur Diskussionsveranstaltung "Iran: Revolution 2.0 - Die Bewegung gegen Ahmadinedschad und die Rolle der neuen Medien" ins tazcafé in der Rudi-Dutschke-Straße. Auf dem Podium stellten Yalda Zarbarkhch, Sara Dehkordi, Sam T. Fard, Ali Fathollah-Nejad und Rüdiger Göbel zum Teil kontroverse Einschätzungen der aktuellen Proteste im Iran und der Rolle der neuen Medien für diese Bewegung dar. Die rege Beteiligung des Publikums zeigte, dass das Bedürfnis nach Information und Analyse groß ist. Die Veranstaltung war zugleich der Auftakt der neuen Reihe "mediatuesday@taz", die Helle Panke e.V., Linke Medienakademie e.V. und der taz-Genossenschaft gemeinsam ausrichten. Sechsmal im Jahr sollen aktuelle Themen aus dem Spektrum Medien und Politik im tazcafé diskutiert werden. Die nächste Veranstaltung zur Bilanz nach 100 Tagen Schwarz-Gelb aus Sicht linker Medien wird am 9. Februar um 19.30 Uhr im tazcafé stattfinden.

Peter Nowak schrieb im ND vom 14.1.2010:

Revolution via Internet? Iran und die Medien.

Peter Nowak

Seit Sommer 2009 ist es dem iranischen Mullahregime trotz verschärften Terrors nicht gelungen, die Oppositionsbewegung einzudämmen. Welchen Einfluss spielen die neuen Medien dabei? Diese Frage stand am Dienstagabend auf einer von der Bildungseinrichtung Helle Panke, der Linken Medienakademie (LiMa) und der »Tageszeitung« (taz) in Berlin organisierten Veranstaltung. Nach einer von der Medienwissenschaftlerin Yalda Zarbakhch vorgestellten Untersuchung steht Iran mit bis zu 35 Prozent Internetnutzern im Nahen Osten an der Spitze. Besonders im letzten Jahrzehnt sei die Zahl der Blogger enorm gestiegen. Der Journalist und Filmemacher Sam T. Fard zweifelte die Verlässlichkeit dieser Zahlen allerdings an. Die Internet- und Blognutzung ist seiner Meinung nach in Iran noch immer ein Elitenprojekt. Fard sieht die Gefahr, dass die internationale Öffentlichkeit von den Inhalten der Blogger auf die gesamte iranische Gesellschaft schließt und damit einen großen Teil vor allem der ärmeren und ländlichen Bevölkerung ausgrenzt.

Sara Dehkordi vom Netzwerk junger Iraner in Berlin hingegen betonte, dass die iranische Oppositionsbewegung ihre Wurzeln in der Arbeiter-, Frauen-, und Studentenbewegung hat. Der Journalist Rüdiger Göbel von der Tageszeitung »junge Welt« kritisierte die seiner Meinung nach unkritische Übernahme der Nachrichten aus dem Internet durch die übrigen Medien. Es bestehe die Gefahr, dass die Hoffnungen der Opposition für bare Münze genommen würden, meint Göbel.

Der Politologe Ali Fathollah-Nejad sieht in der regen Bloggerszene auch Vorteile für die Berichterstattung. Man sei nun nicht mehr auf die Meldungen der großen Presseagenturen angewiesen. Doch auch er betonte, dass der Wahrheitsgehalt der Internetmeldungen journalistisch überprüft und nicht einfach unkritisch übernommen werden dürfe. Schließlich gebe es viele Beispiele für Falschmeldungen durch Blogger, die teilweise ungeprüft ihren Weg in die Massenmedien der übrigen Welt fanden. Fathollah-Nejad hält eher die traditionellen elektronischen Medien nach wie vor für wichtig. So erfreuten sich die per Satellit empfangbaren britischen und US-amerikanischen Nachrichtensendungen von BBC und CNN vor allem bei älteren Iranern großer Beliebtheit. Die Frage aus dem Publikum, ob diese Sender nicht einen größeren Einfluss auf das Geschehen in Iran haben als die Blogger und Internetnutzer, wurde nicht beantwortet. Das Regime zumindest scheint beide Medienarten zu fürchten. Sara Dehkordi berichtete, dass sowohl der Empfang der ausländischen Sender erschwert als auch die Bloggerszene durch neue Gesetze kriminalisiert würden.

LiMA und taz

Kosten: 1,50 Euro

Wo?

tazcafé
Rudi-Dutschke-Str. 23
10969 Berlin