Als die Helle Panke vor zwanzig Jahren am 18. April 1991 ihre erfolgreiche und anerkannte Arbeit unter nicht immer leichten Bedingungen begann, gaben ihr einige Zeitgenossen wenig Perspektive. Die kritische Begleitung sah die Helle Panke stets als Ansporn an. Die Gegner eines Neuanfangs der Linken und Ihrer Bildungs- und Kulturarbeit belehrte sie eines Besseren. Dazu trug die Unterstützung ihrer Freundinnen und Freunde, ihrer Mitglieder und Sympathisanten wesentlich bei. Sie wird sie auch in Zukunft weiterbringen. Auf der Festveranstaltung wollen wir zurückblicken und feiern. Und: Wir wollen gemeinsam in die Zukunft schauen und die nächsten Jahre in Angriff nehmen!
Es sprechen:
Professor Dr. Dieter B. Herrmann, Präsident der Leibniz-Sozietät, AstronomProfessor Dr. Klaus Steinitz, Vorstandsvorsitzender des Vereins Helle Panke (Festrede) Heinz Vietze, Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-StiftungDr. Klaus Lederer, Landesvorsitzender DIE LINKE. Berlin
anschließend Empfang im Foyer
Für die musikalische Begleitung der Veranstaltung sorgen: die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz/Rot, Karoline Körbel, das Trio Scho, Stefan Körbel
Die Teilnahme ist wegen begrenzter Platzkapazität nur bei verbindlicher Anmeldung möglich. Anfragen bei Interesse bitte an die Geschäftsstelle telefonisch unter 030-47538724 richten.
20 Jahre "Helle Panke" Zum Jubiläum des linken Berliner Bildungsvereins
Rede von Daniel Küchenmeister und Peter Welker
Nach dem Ende der DDR und der Vereinigung Deutschlands standen die Linken vor einer für sie einmaligen historischen Situation und Herausforderung. Der Zusammenbruch einer Gesellschaft, die vorgab, nicht nur die großen Ziele der Arbeiter und Bauern, sondern aller demokratischen Bewegungen in historischer Mission zu verwirklichen, führte unter den Linken zu einer Mischung aus schmerzvoller Desillusionierung, vollständiger Abkehr und trotzigem Beharren. Sie führte zu Debatten und der Suche nach neuen, zeitgemäßen und realistischen Perspektiven, die doch irgendwie die heroischen Ziele einer sozial gerechten und freien Gesellschaft wieder aufnahmen. In dieser Situation brauchte man nicht nur neue Ideen, man benötigte auch dringend eine neue Basis. Und diese Basis konnte keineswegs nur eine geistige sein; nein, es musste auch so etwas wie ein Ausgangs- und Anlaufpunkt geschaffen werden, den die Bergsteiger Basislager nennen. Die Gründungsversammlung der Hellen Panke zur Förderung von Politik, Bildung und Kultur e.V. am 18. April 1991 ist ein wichtiges Datum, denn für die Linken in Berlin bot sich was zunächst mehr als linkes Heimatforum für Pankower gedacht war fortan neben anderen bestehenden Diskussionskreisen und Organisationen ein weiterer fester Ort für ihre Debatten. Der Verein wurde im Gründungsprozess schon bald als e.V. und von der Fraktion der PDS im Berliner AGH als parteinah offiziell anerkannt. Das schuf die Voraussetzung für die einsetzende Förderung seitens der Landeszentrale für politische Bildung beim Senat und ebnete den zwar steinigen, aber letztlich erfolgreichen Weg bis zur Förderung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Als Verein, der heute im Verbund der Rosa-Luxemburg-Stiftung agiert, präsentiert die Helle Panke seit ihrer Gründung ein aktuelles und zugleich anspruchsvolles Programm linker politischer Bildung. Gesellschaftskonzeptionelle und tagespolitische Fragen werden erörtert, die Vergangenheit ins Licht der Gegenwart gerückt, ökonomische und philosophische Probleme reflektiert und debattiert sowie Kunst und Literatur angeboten und diskutiert. Eines der jüngsten Vorhaben ist die Unterstützung der Linken Medienakademie LiMA, ein Projekt, das in die Zukunft weist und sicherlich auch jüngeres Publikum ansprechen wird. Die Arbeit der Hellen Panke mit ihren zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten erfolgreich geplant, koordiniert und realisiert. Verzeichneten wir in den 90er Jahren bei einem Jahresdurchschnitt von 125 Veranstaltungen ca. 3.000 Teilnehmer pro Jahr, so waren es in den vergangenen zehn Jahren bei einem Jahresdurchschnitt von 220 Veranstaltungen mehr als 8.500 Teilnehmer pro Jahr, 2010 erreichten wir einen Teilnahmerekord von über 11.000 Besuchern. Zu danken für diesen Beitrag zur quantitativen und qualitativen Entwicklung linker Bildung in Berlin ist dem ehrenamtlichen Vorstand des Vereins und seinen Vorsitzenden, darunter der unvergessene Schriftsteller und Namensgeber des Vereins Jan Koplowitz, die Historiker Dr. Jörn Schütrumpf und Dr. Wladislaw Hedeler sowie seit 2004 der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Steinitz. Großen Anteil hat zudem die Geschäftsstelle mit den langjährigen Mitarbeitern Birgit Pomorin als Geschäftsführerin und Dr. Peter Welker als Leiter des Bildungsprojektes im Verein. Ohne das Engagement der vielen ehrenamtlichen und auf Honorarbasis tätigen freien Mitarbeiter wären das Angebot und der Erfolg des Vereins nicht denkbar. Ihnen allen gebührt unser Respekt. Als die Helle Panke vor zwanzig Jahren ihre Arbeit begann, gaben ihr einige Zeitgenossen wenig Perspektive. Die kritische Begleitung hielt der Verein stets aus und sah sie als Herausforderung, noch größere Anstrengungen zu unternehmen. Und die immer breitere Unterstützung ihrer Freunde und Freundinnen, ihrer Mitglieder und Sympathisanten wird sie auch in Zukunft auf diesem erfolgreichen Weg weiter voranbringen. Am 26. Mai wird der Verein sein Jubiläum im Berliner Zeiss-Planetarium festlich begehen. Auf die nächsten erfolgreichen Jahre!
Grußwort
Heinz Vietze, Vorsitzender des Vorstandes der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Vereins
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat Ende des vergangenen Jahres ihr 20jähriges Jubiläum feierlich begangen. Dazu gab es Gratulationen auch aus dem Bildungsverein Helle Panke Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin. Es ist für mich nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, anlässlich des Jubiläums der Hellen Panke nun namens der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu gratulieren. Das habe ich hiermit getan. Lassen sie mich mit Ihnen den Lauf der Panke nachvollziehen, möglicherweise sehen Sie wie ich diese oder jene Bezüge zur politischen Bildungsarbeit des Vereins Helle Panke. Die Panke entspringt nordöstlich von Bernau, also in Brandenburg, wo denn sonst. Ohne die Brandenburger Quelle würde es also die Panke nicht geben. Wer Bernau nennt, und über politische Bildung spricht, muss die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes erwähnen, die spätere Gewerkschaftshochschule, inzwischen Funktionsgebäude der Handwerkskammer Berlin. Gewerkschaftsthemen, die Rolle der Arbeit, des Arbeitsrechtes spielen auf der Agenda der Hellen Panke bekanntlich ein nicht unerhebliche Rolle. Gehen wir weiter: wir passieren die Gesundheits- und Wissenschaftsregion Berlin-Buch, die viele Anknüpfungspunkte für die Bildungsarbeit bietet. Wir kommen nach Französisch-Buchholz. Dieser Ort ist bekanntlich nach dem Edikt von Potsdam 1685 des preußischen Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. als französische Kolonie entstanden. Preußen bot sicher auch eigennützig in Frankreich verfolgten Hugenotten eine Möglichkeit, sich anzusiedeln. Migration, Toleranz, Gewerbeansiedlung, Steuerpolitik wichtige Themen politischer Bildungsarbeit. Wir kommen nach Niederschönhausen und in den Pankower Schlosspark. Schloss Schönhausen war 50 Jahre Wohnort der Frau des Preußenkönigs Friedrich II., 11 Jahre Amtssitz des ersten und einzigen Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck, Gästehaus der DDR-Regierung und ein paar Monate in den Wendezeiten 1989/90 Ort des Zentralen Runden Tisches. Geschichtspolitik des Bildungsvereins Helle Panke ganz in der Nähe. Die Panke fließt weiter nach Gesundbrunnen, tangiert den Volkspark Humboldthain mit seinen beiden Hochbunkern aus dem 2. Weltkrieg, durchquert den Berliner Wedding, dann in den früheren Bezirk Mitte. Wir streifen das frühere Stadion der Weltjugend, nunmehr Dienstsitz des Bundesnachrichtendienstes, die Charitè, das Museum für Naturkunde, einige Bundesministerien, das Bundeswehrkrankenhaus. Die Assoziationen zur politischen Bildung bei dieser Aufzählung muss ich Ihnen nicht nennen. Und die Mündung der Panke ? Wie meint der Berliner: Schiffbauerdamm Nummer zwee fließt die Panke in die Spree. So prosaisch kann das Leben sein. Schiffbauerdamm, Brecht-Theater, Ständige Vertretung... Wenn man dem Lauf der Panke folgt, muss man auch die drei Erfinder nennen, die in dieser Gegend anzutreffen sind: Reinhold Burger aus Pankow, der Erfinder der Thermoskanne, Dr. Paul Nipkow aus Pankow, der Erfinder der Nipkow-Scheibe, die für die Entwicklung des Fernsehens eine wesentliche Rolle spielen sollte und Jan Koplowitz aus Kodowa in Niederschlesien, der Erfinder des Namens Helle Panke für den Bildungsverein, dessen Jubiläum wir heute feierlich begehen.
Also, liebe Gründer und Gründerinnen, liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen in der politischen Bildungsarbeit: Glückwunsch zum Jubiläum, Besinnung über das Erreichte, Ansporn für die weitere Tätigkeit.
Leibniz-Sozietät gratuliert zum 20jährigen Jubiläum des Vereins Helle Panke
(LI) Auf der Festveranstaltung des Vereins Helle Panke im ZEISS-Großplanetarium Berlin überbrachte der Präsident der Leibniz-Sozietät und vormals langjähriger Direktor des Planetariums, Prof. Dr. Dieter B. Herrmann die Glückwünsche der Sozietät. Das Planetarium habe die Wende mit Mühe überstanden, die Akademie der Wissenschaften der DDR hingegen nicht, betonte der Präsident. Herrmann verband die Glückwünsche zum 20. Geburtstag des Vereins mit einer Würdigung der guten Beziehungen, die sich zwischen der Leibniz-Sozietät und der Hellen Panke entwickelt haben. Mein ausdrücklicher Dank gilt der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die nun schon seit Jahren unsere Forschungsarbeiten finanziell unterstützt und mit der uns viele gemeinsame Aktivitäten verbinden. Ohne diese und andere Kooperationen, u.a. auch mit der Wissenschaftsverwaltung des Berliner Senats, könnten wir unsere erfolgreiche Arbeit nicht fortführen". Zur Bilanz der Tätigkeit des Vereins, der heute im Verbund der Rosa-Luxemburg-Stiftung agiert, gehört seit Vereinsgründung ein aktuelles und zugleich anspruchsvolles Programm linker politischer Bildung. Der Verein sagt weiter von sich, er habe Gesellschaftskonzeptionelle und tagespolitische Fragen erörtert, die Vergangenheit ins Licht der Gegenwart gerückt, ökonomische und philosophische Probleme reflektiert und debattiert sowie Kunst und Literatur angeboten und diskutiert. Resultate dieser vielseitigen Erörterungen sind in den Publikationsreihen von Helle Panke niedergelegt. Von der Reihe hefte zur ddr-geschichte sind bisher 125 Ausgaben erschienen, die Reihe Pankower Vorträge brachte es auf 156. Zahlreich auch die Ausgaben der jüngeren Reihen Philosophische Gespräche, Klartext und Vielfalt sozialistischen Denkens. Sie alle gaben nach Zählung des Vereins rund 460 Autoren Möglichkeiten der Publikation ihrer Arbeitsergebnisse, unter ihnen auch 35 Mitgliedern der Leibniz-Sozietät. (Leibniz intern / Mitteilungen der Leibniz-Sozietät / Nr. 51 vom 1. Juni 2011, S. 2.)
Jan Koplowitz: REDE VOR DEM VEREIN (1991, gehalten auf der Gründungsversammlung der "Hellen Panke")
Werte Anwesende, Freunde und Gönner, Kritiker und Neugierige, Mäzene und Sponsoren, zukünftige Mitglieder und Mitwirkende eines Vereins zur Förderung von Politik, Bildung und Kultur mit dem Namen »Helle Panke«. Als der würdige bärtige Kulturabgeordnete Dieter Klein, die quicklebendige Philosophin Birgit Pomorin und die warmherzige Juristin Helga Elias an mich herantraten, um mich zur Mitarbeit zu werben, erbat ich mir eine ausführliche Bedenkzeit. Das hatte nicht nur mit einem beginnenden Augenleiden zu tun. Mich bremste die Frage nach meiner Mitverantwortung nach 40 Jahren DDR. Und deshalb bitte ich Sie, meine Worte als individuelle Äußerungen zu betrachten. Aber diese Frage beschäftigt mich ständig, mahnend und bohrend. Und das nach einer stürmischen, kämpferischen Jugend, nach Gefängnis, Illegalität, Konspiration, dem Erleiden eines Schädelbruchs durch braune Stahlrutenträger (um das unsägliche Nazi«nach«wort Träger«, das wie eine Seuche in unserer Umgangssprache grassiert, zu bemühen). Dann kam Exil, Internierung, das Brot der fremden Länder bis zur Heimkehr. Aber die Frage, die mich quälte, blieb. Das gilt auch für uns alte Antifaschisten. Denn etwas sollten wir, bei aller Würdigung des Antifaschismus wahrhaftig gelernt haben: Ein Antifaschist ist nicht der Rentner seiner Vergangenheit. Solange er lebt, wird er danach beurteilt, was er jetzt und hier tut, und wie er es tut. Wir haben Ausnahmen bitte ich, sich nicht betroffen zu fühlen zu wenig gefragt, wir haben zu wenig gesagt, wir haben zu wenig gezweifelt, wir haben zuviel geglaubt, wir haben zu eng geforscht, wir waren denkfaul oder besser nachdenkfaul , wir waren zu schüchtern, um mit unseren Oberen zu streiten, nicht einmal unter uns ging das gut, wir haben die innere geistige Disziplin zu einer äußeren drakonischen verkommen lassen. Wir haben, überzeugt davon recht zu haben, anderen unrecht getan. Wir haben zu wenig über Mauern und Grenzen geschaut und geduldet, daß man es uns verbot. Wir sind der Gewöhnung, der Zufriedenheit mit dem Mittelmaß anheimgefallen. Wir haben die Mutter Courage gespielt, aber nicht besessen und wenn, in unseren Büchern, dann zu leise. Zwar kritisch, doch in der Sprache der Märchen, der Gleichnisse, der Mythen und der biblischen und anderen zur Durchsichtigkeit bestimmten Stoffen. Also habe ich mir gesagt: Wenn ich noch einmal in einen Verein hineingehe, dann muß ich aus unserem vergangenen Leben lernen, Bescheid zu wissen und Bescheid zu stoßen. Ich muß fragen (da gibt es noch so ein scheußliches Neuwort »hinterfragen«, genau so schlimm wie »andenken« oder jemanden »anschreiben«). Ich muß zweifeln dürfen und hartnäckig darauf beharren, daß mir meine Zweifel genommen oder bestätigt werden. Ich muß den kultivierten Streit lernen, wie man miteinander auskommt, auch wenn es heiß hergeht. Ich muß das Lachen wieder lernen, das echte, nicht das bäuchige Lachen oder das selbstzufriedene Grinsen, jenes Lächeln, das vom Kopf herkommt. Den Spaß an neuen Ideen, Projekten und Strukturen, das sind übrigens zwei Worte, die wir 40 Jahre in unserer Umgangssprache nicht benutzt haben. Sie waren den Wissenschaften vorbehalten. Das stimmt doch? Nicht wahr! Euch Jungen muß das lächerlich vorkommen. Wir müssen in die Geheimnisse der Wirtschaft, der Ökonomie hineindringen, die vielen verschlossen blieben oder verschleiert. Wir wollen sie enthüllen und begreifen. Und die Abwehr gegen die Willkür der Bürokratie lernen, indem wie uns auskennen im Fangnetz der Gesetze. Auch die Politik sollten wir für viele leicht verständlich durchschauen üben. Und Träumen muß ich dürfen. Vorausschauend träumen, Utopien durchdenken und überlegen: denn vor der Realität kommt die Utopie. Und wenn das alles zur Demokratie gehört, dann bin ich für die Demokratie. Da wäre noch viel mehr zu fragen, zu sagen und zu fördern, auch von und für unseren Verein, aber ich darf das alles weglassen, weil es in der Vorstellungs- und Absichtserklärung zur Arbeit unseres Vereins bereits gedruckt zu lesen ist. Um nur einiges zu nennen: Wirtschaftspolitik Diskussion zu Alternativkonzepten das Gesicht und die Probleme Europas scharfe Blicke über Deutschland hinaus und hinweg, in die Welt wissenschaftliche Kolloquien und die Erörterung psychologischer, soziologischer, sozialer Fragen. Eine kommt gewiß auf uns zu, bei der zu erwartenden Steigerung der Arbeitslosigkeit, der Problematik, die damit zusammenhängt. Theoretische und fachliche Diskussion zu allgemein wissenschaftlichen Themen. Bildende und angewandte Kunst, wobei ich mir schon lange den Kopf darüber zerbreche, worin der Unterschied besteht. Ich kenne nur gute und schlechte. Literatur und Poesie bitte nicht vergessen. Die Absicht ein speakers-corner einzurichten, hat mich aus zwei Gründen fasziniert. Ich habe am Marble Arch in London, eben am Hyde Park Corner, selbst auf einer Leiter gestanden, die oberste Sprosse ein Lesebrett, und mitten im Krieg über den Widerstand der Illegalen im dritten Reich gesprochen. »Allies inside Germany« war mein Thema. Und zum zweiten habe ich hergeleierte und herausgeschriene, stereotypen, langweiligen, gleichförmige, aus einem engen Politvokabularium gequetschte, abgeschriebene und abgelesene Reden satt bis zum Hals. Das britische Empire hatte für sein riesiges Kolonialreich eine Sprache entwickelt, die aus wenig mehr als fünfzig Worten und Hilfsverben bestand. Eine Befehls- und Kom man do sprache in der die »Eingeborenen« und die Kolonialbeamten sich verständigten. Sie nannten es Pidgin-Englisch. Auch wir hatten so ein primitives Politvokabularium ein Pidgin-German , in dem wir von Redetribünen agitiert wurden und unsere Festtagsredenverfassser, unter denen auch Schriftsteller gewesen sein sollen, hatten ihre liebe Mühe, Stroh in Fleisch zu übersetzen. Und deshalb sollten wir unbedingt einen Kursus für Rhetorik, für die freie Rede und für die Debattenkunst einrichten, damit die Menschen lernen, ihre eigene Meinung verständlich sagen zu lernen. Daneben existieren in unserer Vorstellung Lesecafé, Buchclub und Büchersammlung und ein Freundschaftskreis der Lesenden und Schreibenden mit guten Mentoren und beratenden Schriftstellern für jene, die glauben, Talent zum Schreiben zu haben. Und das alles soll nicht unentgeltlich sein, außer für Jugendliche, Arbeitslose und Rentner. Denn Kultur darf ruhig etwas kosten. Auch um den Konsumenten etwas wert zu sein. Das haben wir 40 Jahre lang vergessen. Damit man sich nicht isoliert und das Fahrrad Dutzende Male neu erfindet, wird der Verein zusammenarbeiten und Kontakt halten zu Pankower Einrichtungen, dem Buschhaus (es ist bekanntlich inzwischen geschlossen worden und soll in einen Baumarkt verwandelt werden ... ), der LISA, zu Gewerkschaftsgruppen und Parteien, zu Künstlern und Schriftstellern, zu Runden Tischen und grünen wie alternativen Gruppierungen und vielen mehr. Es soll das alles aber nicht tierisch ernst sein, sondern in allen Varianten Spaß machen. Und mit Spaß meine ich besinnliches Vergnügen, Freude auch am Sprachflorett. Ich kann das nicht alles aufzählen und würde vorschlagen, daß die Initiatoren der Vereinsgründung über ihre mit Phantasie und Fachwissen ausgezeichneten Überlegungen selbst referieren. Sie können es sicher besser als ich, sie sind, wie man falsch zu sagen pflegt, in der »Materie«. Aber über allem sollen jene großen Ziele stehen, die unsere freiwillige Haltung und das herzliche Bemühen darum nötig haben, und die wir auch üben müssen: Toleranz, Humanismus, Solidarität. In einem Literaturclub am Mehringdamm, wo ich auch meine Kollegen Karl Mickel, Kirsch und Czechowski traf, wurde ich zu einer Lesung eingeladen. Ich hatte ein »volles Haus«. Aufmerksamkeit und Konzentration waren ermutigend, aber danach versuchte ein etwas angegangener Teilnehmer, mich ziemlich grob zu attackieren. »Was ist euch politischen Ossis denn geblieben, von eurer linken Herrlichkeit? Ihr steht doch nackt im Regen! Eure Säulenheiligen sind abgewrackt. Wofür lohnt es noch sich abzustrampeln? Sagt doch lieber Konkurs an.« Ich gab zur Antwort: Übrig geblieben! Die Losungen der großen Französischen Revolution »Égalité Liberté Fraternité». Heute der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, um Frieden der Welt, gegen Rassismus, Fremdenhaß und Antisemitismus, gegen den Hunger und die Rückständigkeit der dritten Welt, gegen die für die Industriestaaten billige Ausbeutung ihrer Ressourcen. FÜR die Rechte der Frauen, für eine Umwelt, die nicht umfällt, für die gute Nachbarschaft, Wärme und Freundlichkeit unter den Menschen aller Couleurs. Und den Sozialismus, einen echten, neuen breiteren, umfassenden, einen demokratischen, haben wir noch nicht als verloren aufgegeben. Und den Karl Marx nicht ganz abgewrackt. Und all das zusammen lohnt heute noch jeden Tag und ein Leben. Es war sehr nachdenklich still als ich aufhörte, und dann klatschten die Leute Beifall. Toleranz. Ich hatte in meiner Jugend ein recht zwiespältiges Verhältnis zur Religion und ihrer Gemeinde. Vielleicht weil über mich ich war damals ein junger Bursch mit den dazu notwendigen zehn Gläubigen das Totengebet, der Kaddisch gesagt wurde. Ein orthodoxjüdischer Brauch gegen Abtrünnige des Glaubens, der mir durch meine ganze Jugend zu schaffen machte, wie jetzt wieder. Aber dafür hatte ich in der Emigration ein anderes Erlebnis. Ein Pastor der böhmischen Brüdergemeinde rettete nach dem Einmarsch der Nazis 35 Kommunistenkinder der Emigranten vor dem Zugriff der Braunen, indem er sie in eine katholische Wallfahrtsprozession hineinschmuggelte und so aus der Gefahrenzone herausbrachte. Ich habe dieses Erlebnis in einer Erzählung und einem Fernsehspiel dem Vergessen entrissen. Das Fernsehspiel gedieh bis zum Szenarium, wurde jedoch schließlich von der Intendanz abgelehnt, weil der Inhalt »nicht typisch« sei. Da hatten sie eines nicht gewußt: Die britischen Quäker waren die Vermittler bei der illegalen Evakuierung der politischen Emigration aus der CSFR.
Und wer von Ihnen, von uns, vergißt die Hilfe der Kirchen bei den Bittgebeten um den Frieden und um die gewaltlose friedliche Auseinandersetzung im Jahre 1989, die klug vermittelnde und zu vernünftigen Diskussionen, Übereinkünften führende Einwirkung der Kirchenleute unter den verschiedenen Partnern der Runden Tische. Vom Stadtteil bis zur Länderkette. Die friedliche Diplomatie hat mir große Hochachtung für Pastoren und Pfarrer und Theologen beigebracht, ebenso wie die aufrechte, integre Haltung des Rektors der Humboldt-Uni Professor Heinrich Fink in Sachen Wissenschaft und Lehre. Und noch etwas hat mich das Leben gelehrt. In 82 Jahren beißt man ein ganz schönes Stückchen Geschichte ab. Jetzt weiß ich, für mich fängt die Linke schon bei den ehrlichen Liberalen vom Kaliber Heuss an, es muß ja nicht gleich der Graf sein. Die Gewerkschaften gehören dazu, als Repräsentanten der Arbeiterinteressen, und die SPD, alle Gruppen gehören dazu, die eine neue bessere Welt im Visier haben, und alle vernünftigen Bürger gehören zur Linken, die mit uns diskutieren, streiten, einen Konsens suchen, ein Kompromiß, der weiterführt. Selbst bei den Konservativen und der Rechten sollten wir einen Unterschied zwischen Weizäcker, Kohl und Schönhuber begreifen und nutzen. Und ich möchte, daß dies alles auch in meinem Verein diskutiert und verarbeitet wird und, wenn sie wollen, in unserem. Ich warne Sie! Wenn ich in eine Position gewählt werde, dann nicht als Repräsentant meines Berufes, als Namensgeber, dann mische ich mich ein und mische mit wie der Pankower sagt, »volle Pulle« und mit der ganzen Verantwortung für die gute Aufgabe. Und weil das so ist, wünsche ich uns Erfolg und Ihnen eine helle Panke.
Wie hat »Helle Panke« überlebt?Klaus Steinitz über eine beachtliche ostdeutsche Erfolgsstory
Karlen Vesper, Interview mit Klaus Steinitz
Der Ökonom ist Vorstandsvorsitzender des Vereins, der heute mit großer Party 20. Jahrestag feiert. Glückwunsch! Viele in Nachwendezeit in Ostdeutschland gegründete Vereine sind wieder verschwunden. Wie hat es »Helle Panke« geschafft, sich zu behaupten und eine namhafte, stark frequentierte Adresse in der politischen Bildung, aber auch in der Publizistik zu werden? Als sich vor 20 Jahren, am 12. April 1991, 34 Bürger und Bürgerinnen in der Johannes R.-Becher-Straße in Berlin-Pankow trafen und den Verein gründeten, ahnte wohl keiner, dass dieser zu einem kaum noch wegzudenkenden Partner für linke politische Bildung und linkes Denken in Berlin und darüber hinaus werden würde. Die »Helle Panke« hat sich bemüht, den ständig neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Sie hat sich stets kritisch und z u g l e i c h d i f f e r e n z i e r t mi t d e r Geschichte der DDR und den Ursachen für das Scheitern des Realsozialismus auseinandergesetzt. Viele Veranstaltungen galten der Überwindung der vereinfachenden Dogmen des Marxismus-Leninismus und der historisch-kritischen Einordnung von Marx, Engels und Lenin. Es geht uns um die Vielfalt des marxistischen und linken Denkens. Und wir hatten und haben kompetente Referenten, die hohe Qualität der Debatten garantieren. Allein, gute Referenten retten keinen Verein. Ja, die stabile und kontinuierliche Entwicklung der »Hellen Panke« wäre ohne den Elan der in der Geschäftsstelle Arbeitenden, insbesondere Geschäftsführerin Birgit Pomorin sowie Peter Welker, die sich beide von der Gründung an bis heute unermüdlich für den Verein eingesetzt haben, und die Unterstützung und Solidarität der Mitglieder, Freunde sowie der zahlreichen Helfer nicht möglich gewesen. Schließlich war hierfür auch die enge, freundschaftliche Zusammenarbeit im Verbund der Rosa-Luxemburg-Stiftung wichtig. Mitte der 90er Jahre war in einer Zeitung die »Helle Panke« als Hort und Oase abgewickelter DDR-Elite ausgemacht. Ist dem so? Ich halte diese Wertung für anmaßend und ignorant. Wer einen Blick in unseren Veranstaltungskalender wirft, weiß, dass unsere Referenten nicht nur ehemals in der DDR Verantwortung tragende Menschen sind. Bürgerrechtler der DDR sind mit Vorträgen und als Podiumsdiskutanten Gäste der »Hellen Panke« gewesen. Als Referenten wurden auch viele Wissenschaftler und Politiker aus den alten Bundesländern gewonnen, die ein sehr kritisches Verhältnis zur DDR und zur SED hatten, z. B. Egon Bahr, Hermann Weber, Wolfgang Leonhard, Elmar Altvater oder Dietrich Staritz. Und der Anteil jüngerer Projektleiter und Referenten, die nichts mit der DDR zu tun hatten, nimmt beständig zu. Ein Blick in Ihr Veranstaltungsprogramm offenbart eine erstaunliche Aktualität. Wie gelingt es Ihnen, so zeitnah Diskussion und Ereignisse, national wie global, zu reflektieren? Aktualität zu sichern, ist natürlich auch für uns nicht problemlos. Dies gelingt uns mal besser, manchmal aber auch für uns noch nicht befriedigend. Unser Programm muss mit über einem Monat Zeitvorlauf im Vorstand bestätigt werden. Im Falle der Euro-Krise war es relativ einfach, da sie sich schon längere Zeit angekündigt hat und wir hier vorzügliche Experten haben. Wir haben jetzt eine gesonderte Reihe zu Fragen aktueller Politik ins Leben gerufen, um noch rascher reagieren zu können. Woher rührt der Vereinsname? Die Panke ist ein Fluss in Pankow. Und eine Eigenschaft der Berliner ist es, helle zu sein. Zudem: Unser Ziel ist es, den Geist aufzuhellen, den Verstand zu schärfen.
(Fragen: Karlen Vesper, Neues Deutschland, 26. 5. 2011, S. 4.)