Marzahner Gesellschaftspolitisches Forum
Siegfried Prokop hat sich seit Anfang der 80er Jahre mit der Sozialgeschichte der DDR-Intelligenz beschäftigt. Was waren das für Menschen? Wie haben sie sich verhalten? Nach der marxistisch-leninistischen Definition von Klassen und Schichten gehörten sie einer sozialen Schicht an, die beruflich vorwiegend geistige Arbeit leistet und in der Regel eine höhere Schulbildung hat (vgl. Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie). Innerhalb dieser Schicht wurde zwischen technischer, medizinischer, pädagogischer, wissenschaftlicher und künstlerischer Intelligenz unterschieden. Aber je nachdem, wo ihr Schreibtisch stand, wurde z.B. das Studium ihrer Kinder gefördert, oder eben nicht.
Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es kaum ein Thema, das von der Politik, aber auch von den Intellektuellen selbst unterschiedlicher wohl nicht dargestellt werden kann. Das Spektrum reicht von idealisierender Verklärung ihrer Rolle beim Aufbau eines alternativen Gesellschaftsmodells mit den Grundwerten Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität bis zur grobschlächtigen Kategorisierung in Täter und Opfer unter einem totalitären Regime, das von Repressalien und Unterdrückung geprägt war.
Siegfried Prokop gibt gemeinsam mit Dieter Zänker im Auftrag des Kulturbundes e.V. seit 2007 „Schriften zur Geschichte des Kulturbundes“ heraus. In diesem Rahmen hat er das Verhältnis des Kulturbundes zu den Intellektuellen untersucht. In Juni 2010 hat konnte er im Marzahner Gesellschaftspolitischen Forum mit dem 1. Band die Ergebnisse für die ersten zehn Nachkriegsjahre vorstellen. Im nun vorliegenden 2. Band setzt sich Siegfried Prokop mit den Bruchjahren 1956 und 1961 auseinander: Intellektuelle. In den Wirren der Nachkriegszeit. Die soziale Schicht der Intelligenz der SBZ/DDR von 1956-1961. Teil II. Hrsg. von Siegfried Prokop und Dieter Zänker. Edition Zeitgeschichte Band 49, Bd. II, Kai Homilius Verlag, Berlin 2011. ISBN 978-3-89706-829-2.
Zum Referenten: Prof. Dr. Siegfried Prokop, Jg. 1940, studierte 1958 – 63 Geschichte und Germanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin und in Leningrad. 1983 – 96 war er Professor für Zeitgeschichte am Institut für Geschichte der Humboldt-Universität. Gastprofessuren führten ihn 1987 nach Paris, 1988 nach Moskau und 1991 nach Montreal. 1998 war er Projektleiter an der Forschungsstelle für historische und sozialwissenschaftliche Studien in Berlin-Marzahn, 1994 – 96 Vorsitzender der Alternativen Enquetekommission „Deutsche Zeitgeschichte“. Prof. Prokop ist Vorsitzender des Vorstandes der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg.
Literatur vom Referenten zum Thema:- Studenten im Aufbruch: zur studentischen Opposition in der BRD, Berlin 1974.- Sozialgeschichte der ostdeutschen Intellektuellen, 1945–1961: Zeittafel mit Stichwortverzeichnis, Berlin 1993- Intellektuelle im Krisenjahr 1953. Enquéte über die Lage der Intelligenz der DDR: Analyse und Dokumentation. Schkeuditz 2003.- 1956 – DDR am Scheideweg. Opposition und neue Konzepte der Intelligenz. Berlin 2006.- Verlorene Träume. Zum 60. Jahrestag der Gründung des Kulturbundes. Hrsg. von Siegfried Prokop und Dieter Zänker, Berlin 2007.- Intellektuelle. In den Wirren der Nachkriegszeit. Die soziale Schicht der Intelligenz der SBZ/DDR. Teil 1. 1945-1955. Hrsg. von Siegfried Prokop und Dieter Zänker. Edition Zeitgeschichte Band 49, Kai Homilius Verlag, Berlin 2010. ISBN 978-3-89706-836-0.