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Heft 106: Die SED in Konfliktsituationen. Die sechziger Jahre

Konferenzreihe zu historischen Knotenpunkten: 1946 – 1956 – 1966 – 1976 – 1986

Von: Stefan Bollinger, Wolfgang Buschfort, Harri Czepuck, Hans Mittelbach, Hans-Christoph Rauh

Heft 106: Die SED in Konfliktsituationen. Die sechziger Jahre

Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 106, A5, 64 S., 4 Euro plus Versand

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Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 106, 2006, 64 S., A5, 3 Euro plus Versand

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INHALT

Stefan Bollinger: Das Neue Ökonomische System, die Chiffre 1968 und Probleme alternativer Sozialismuswege
Hans Mittelbach: NÖS in der internen Diskussion
Hans-Christoph Rauh: Marxistische Praxis-Philosophie der 60er Jahre in der DDR
Wolfgang Buschfort: Gescheiterter Redneraustausch zwischen SPD und SEDMitte der 60er Jahre Harri Czepuck: Redneraustausch. Notwendige Anmerkungen

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LESEPROBE

Stefan Bollinger
Das Neue Ökonomische System, die Chiffre 1968 und Probleme alternativer Sozialismuswege
Zäsuren, Jahrestage und das Lernen aus der Geschichte

Historiker und politische Bildner feiern gerne Jahrestage ab, das hat Vorteile, garantiert Aufmerksamkeit, vereinfacht historische Prozesse deutlich. Verständlicherweise trägt es wenig zur wirklichen Aufhellung der Prozesse bei, verlangt nach Sensationen und lässt die Ereignisse nach dem Verstreichen des Datums und der organisierten, auch wissenschaftlichen Events rasch verblassen.

Auch in unserem linken Spektrum vergnügen wir uns gerne mit diesen Jahrestagen, gewinnen die Jahresprogramme auch der politischen Stiftungen an Gewicht und das Publikum ist zufrieden. Also halten auch wir uns an dieses Vorgehen und suchen an der Leitlinie von vermeintlich runden Jahren – den Zehnjahres-Schritten nach dem April 1946 – Prozesse und Einrichtungen in und um die SED zu verdeutlichen. Wir wollen sie historisch einordnen, sie werten, oft genug – wie hier der gescheiterte Redneraustausch SED-SPD von 1966[1] – dem Vergessen entreißen.

Jahrestage der SED beginnen meist mit der Vereinigung oder "Zwangsvereinigung" von KPD und SPD. So stand in unserer Veranstaltungsreihe zunächst das Jahr 1946[2] auf der Tagesordnung, die Vereinigung der beiden großen deutschen linken Parteien und das was nicht daraus wurde. Das gewann nicht zuletzt dadurch an Brisanz, dass sich seit dem Sommer 2005 wieder Teile einer gespaltenen Linken aufmachen zusammenzufinden.[3] Solche Ereignisse zu verstehen und das Zusammengehen unterschiedlicher Kräfte als Symbiose, als Chance und nicht als einseitige Unterwerfung zu betreiben – war und bleibt ein Dauerproblem linken Mit- und oft genug Gegeneinanders.

Jüngst bewegte uns noch das Jahrespaar 1952 und 1953, die 2. SED-Parteikonferenz 1952, der Tod des Diktators Stalin[4], der 17. Juni 1953. Diese Daten wurden auch von uns reflektiert, waren aber weit stärker Gegenstand einer breiten propagandistischen Welle[5] in den Medien, aber auch in der wissenschaftlichen Community. Nur ein Beispiel: Neben berechtigten Einsichten in den Verlauf des Aufstands von 1953 mit der Breite der damaligen Proteste und Aktionen war er doch ein Ereignis, das auffällig reduziert in ein totalitarismustheoretisches Korsett gepresst wurde. Die Botschaft sollte eindeutig sein: Diese erste und tiefste Krise der noch oder schon dem Untergang geweihten sozialistischen DDR beweise deren Unmöglichkeit und Inhumanität von Anfang an. Denn sie hatte spätestens 1952 einen "totalen sozialen Krieg"[6] betrieben, natürlich nur gegen die Gesellschaft, nicht für Ziele, zu deren Verwirklichung möglicherweise inadäquate Mittel angewandt wurden, die tatsächlich jenen Zunder abgaben, der im Juni das Feuer auslöste.

Allerdings fällt es auch Linken schwer, sich in diesem Umfeld zu bewegen, sich gegen das allein selig machende Verdikt des untergegangenen Realsozialismus zu stellen und ebenso genau wie komplex nach Ursachen, Zusammenhängen und äußeren Einwirkungen zu fragen. Auch 1953, so stellte jüngst die Linkspartei.PDS gegen einen provokatorischen Vorhalt der FDP[7] heraus, ging es um einen Ausbruch aus dem stalinistischen Sozialismusmodell, ohne dass damit der Sozialismus zu verwerfen sei. Schuldbewusst wird allein die innersozialistische Seite dieses Problems thematisiert, aber wenigstens mit einem frechen Seitenhieb auch die (zugegebenermaßen damals erst frisch gleichgeschaltete) Welt der "Blockflöten" mit in die Verantwortung genommen. Aber die Systemauseinandersetzung, der gerade laufende Krieg auf der koreanischen Halbinsel, die damals schon öffentlich gewordene militärische Westintegration der Bundesrepublik, die offen diskutierte und praktisch angestrebte "Befreiung" des Ostens[8] sind den Linkspartei.PDS-Funktionären[9] nicht wert, benannt zu werden.

Jetzt ist, dem Jahrestag gemäß, immerhin ein Fünfzigster, das Jahr 1956 im Schwange: die Geheimrede Chruschtschows, die Entstalinisierung (die eigentlich schon unter Berija begann), die Reformansätze von linken Intellektuellen und Parteifunktionären, die eher in Warschau und Budapest zum Tragen kamen – mit anderen Konsequenzen als in der DDR und in der SED. Aber immerhin, es gab sie. Ob es eine Alternative hätte werden können,[10] ob ein Generalsekretär Schirdewan oder Rau eine wirklich andere Politik als Ulbricht gemacht hätten? Skepsis ist auch hier angesagt.

 

[1] Siehe die Beiträge von Wolfgang Buschfort und Harri Czepuck im vorliegenden Heft.
[2] Siehe Benser, Günter: Zusammenschluss von KPD und SPD 1946. Erklärungsversuche jenseits von Jubel und Verdammnis. hefte zur ddr-geschichte. H. 27, Berlin 2006, 2. durchges. u. erg. A.; Helle Panke (Hrsg.): Eine Partei zwischen Lehren der Geschichte und Zwang. SED-Gründung vor 60 Jahren. hefte zur ddr-geschichte, H. 101, Berlin 2006.
[3] Siehe u.a. Maurer, Ulrich/Modrow, Hans (Hrsg.): Überholt wird links. Was kann, was will, was soll die Linkspartei, Berlin 2005; Dies. (Hrsg.): Links oder lahm? Die neue Partei zwischen Auftrag und Anpassung, Berlin 2006; Brie, Michael (Hrsg.): Die Linkspartei. Ursprünge, Ziele, Erwartungen, Berlin 2005.
[4] Siehe Hedeler, Wladislaw (Hrsg.): Stalins Tod. Hoffnungen und Enttäuschungen, Berlin 2003; Benser, Günter: Als der Aufbau des Sozialismus verkündet wurde. Eine Rückschau auf die II. Parteikonferenz der SED mit Dokumentenanhang. hefte zur ddr-geschichte. H. 75, Berlin 2002; Otto, Wilfriede: Eine edle Idee im Notstand. Zur zweiten Parteikonferenz der SED im Juli 1952 (mit zwei Dokumenten). In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin. H. 2002/II, S. 4–22; Scherstjanoi, Elke: Sowjetische Reaktionen auf die Zweite Parteikonferenz der SED 1952. Zur zweiten Parteikonferenz der SED im Juli 1952 (mit zwei Dokumenten). In: Ebd., S. 23–34.
[5] Siehe zur Übersicht Cerny, Jochen: Neuerscheinungen zum 50. Jahrestag des Aufstands vom 17. Juni (Erster Teil). In: Ebd., H. 2004/II, S. 155–168; Cerny, Jochen: Neuerscheinungen zum 50. Jahrestag des Aufstands vom 17. Juni (Nachträge). In: Ebd., H. 2006/I, S. 155–159.
[6] Siehe exemplarisch Werkentin, Falco: Der totale soziale Krieg. Auswirkungen der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952. In: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, Bd. 2002, Berlin 2002, S. 23–54.
[7] Siehe Westerwelle, Guido u.a.: Offener Brief an die Linkspartei.PDS (Anzeige). In: Neues Deutschland, Berlin (im Weiteren: ND), vom 16.06.2006, S. 17.
[8] Siehe aus neueren Forschungen grundlegend Stöver, Bernd: Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikanische Liberation Policy im Kalten Krieg 1947–1991, Köln-Weimar-Wien 2002.
[9] Bisky, Lothar u.a.: Offene Antwort an die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag (Anzeige). In: ND vom 17./18.06.2006, S. 17.
[10] Siehe Prokop, Siegfried: 1956 – DDR am Scheideweg. Opposition und neue Konzepte der Intelligenz, Berlin 2006.

 

  • Preis: 4.00 €