Politik im Gespräch
In Friedrichshain-Kreuzberg versuchen seit über einem Jahr Flüchtlinge und ihre Unterstützer durch Demonstrationen und andere Protestaktionen auf das menschenunwürdige deutsche und europäische Asylregime aufmerksam zu machen. Bisher leider ohne Erfolg! Die Reaktion des Bundesministers des Inneren beschränkt sich auf Polemik und das Schüren von Ängsten in der deutschen Bevölkerung, beispielsweise vor einer angeblichen massenhaften Einwanderung in deutsche Sozialsysteme. Und der Innensenator von Berlin sorgt sich um die seiner Meinung nach "rechtswidrige Nutzung öffentlicher Plätze und Grünflächen", wenn er sich zu den Protesten auf dem Oranienplatz äußert. Die Ignoranz, mit der die zuständigen politischen Entscheidungsträger auf die legitimen Proteste der Flüchtlinge reagieren, ist befremdlich, um nicht zu sagen unanständig! Nun ist ausgelöst durch den tragischen Tod hunderter Bootsflüchtlinge vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa im Oktober 2013 eine europaweite öffentliche Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen in der EU und ihren Mitgliedsstaaten in Gang gekommen. Ungeachtet der Tatsache, dass das Sterben an den südlichen EU-Außengrenzen längst endemisch geworden ist, bietet sich durch diese öffentliche Debatte und Aufmerksamkeit eine Chance, die deutschen und europäischen Asylgesetze auf den Prüfstand zu stellen und einer längst überfälligen Novellierung zu unterziehen.
Podiumsdiskussion mit:
- Monika Herrmann (Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, B90/Grüne)
- Dr. Monika Lüke (Beauftragte des Senats von Berlin für Migration und Integration)
- Halina Wawzyniak (MdB, DIE LINKE)
- Darlington (Flüchtling)
- Marius (Unterstützer der AktivistInnen der Gerhard-Hauptmann-Schule)
- Turgay Ulu (Mitglied des Sprecherkreises der FlüchtlingsaktivistInnen vom Oranienplatz)
Moderation: Reza Amiri
Eine Veranstaltung von "Helle Panke" e.V. und der Linksfraktion in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg.
Berichterstattung im Nachgang (Fabian Kunow)
Mit der Zuspitzung der Diskussionen um das Flüchtlingscamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz im letzten Winter gab es in der Hellen Panke die Überlegung, das Thema europäische Flüchtlingspolitik in Form einer Veranstaltung zu behandeln.
Dann trat die Linksfraktion in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg mit der Idee einer Podiumsdiskussion an uns heran. Neben den verschiedenen Protagonisten der Flüchtlingsproteste sollten die Grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, Halina Wawzyniak aus der Bundestagsfraktion DIE LINKE und die zuständige SPD-Senatorin Dilek Kolat aufs Podium. Leider konnten wir Frau Kolat nicht gewinnen. An ihrer Stelle hat uns die Integrationsbeauftragte des Senats, Frau Monika Lüke ihr Kommen versichert.
Die Podiumsdiskussion sollte sich aber nicht nur um die Geschehnisse rund um den Oranienplatz und die besetze Gerhard-Hauptmann-Schule drehen, sondern die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik insgesamt beleuchten.
Eine Woche vor der Veranstaltung wurde das Oranienplatz-Camp durch einen Teil der Flüchtlinge - zum Teil hangreiflich - im Zuge ihres Kompromisses mit Frau Kolat und gegen den Widerstand ehemaliger Verbündeter aus Flüchtlingen und Teilen der Supporterszene geräumt. Auf Anweisung von Frau Herrmann wurde danach der Oranienplatz abgesperrt, und von der Polizei gesichert. Es wird gegen alles vorgegangen, was eine neue Besetzung sein könnte. Monika Herrmann ist dadurch zum Feindbild für den Teil der Flüchtlinge, die vom Oranienplatz aus weiterkämpfen wollen und ihrer Unterstützer geworden. Einer ihrer Wortführer, Turgay Ulu (einer unserer Podiumsteilnehmer) trat in den im Hungerstreik. Unsere Veranstaltung war das erste Aufeinandertreffen der verschiedenen Parteien im Konflikt um den Oranienplatz und die besetzte Schule seit der Räumung.
Entsprechend hitzig ging es dann im mit weit über 400 Besucherinnen und Besuchern gefüllten SO 36 zur Sache. Leider hatte Monika Lüke am Veranstaltungstag abgesagt.
Die Diskussion war schnell ziemlich einseitig zwischen Teilen der Flüchtlinge und ihren Supporten, die irgendwas forderten oder fragten und Halina Wawzyniak bzw. Frau Herrmann, die dann antworteten. Diese Antworten gingen leider oft im Geschrei des Publikums unter.
Es gab aber auch immer wieder lohnenswerte Beiträge. So erklärte eine Roma-Frau, warum sie lieber in der überfüllten Schule wohnt, statt in einem Heim des Bezirks Kreuzberg. Halina Wawzyniak und Frau Herrmann versuchten immer recht gut zu erklären, wer für was Verantwortung trägt im Asylsystem und wo welche Institution was entscheiden kann. Einzelne Flüchtlinge führten immer wieder gut vor Augen, was es heißt Flüchtling in Deutschland zu sein. Hier konnte dann auch der Auftrag der Hellen Panke, politische Bildung für BerlinerInnen zu machen, erfüllt werden.
Dabei wurde aber oft hin und her gesprungen und es ging recht chaotisch zu. Gegen Ende der Veranstaltung standen immer mehr Flüchtlinge und ihre Supporter auf der Bühne und bedrängten Frau Herrmann und die Moderation.
Deshalb brach der Moderator Reza Amiri die Diskussion nach zwei Stunden ab.
Unten finden Sie verschiedene Presseberichte über den turbulenten Abend:
Ab Minute 2:10 in der Abendschau vom 15. April 2014
Längerer Beitrag in der Abendschau vom 16. April 2014
Artikel in der TAZ
Artikel im Neuen Deutschland
Beitrag auf Telepolis
Längerer Artikel in der Jungle World über die Veranstaltung ohne Helle-Panke-Erwähnung