Kulturdebatte im Salon

"Tütensammler" sind entweder schmucke Abfallbehälter oder eine Untergruppe im großen Heer der Hobbysammler. Sie suchen nicht nach Briefmarken, Münzen oder Medaillen, sondern fahnden nach Tüten. Da diese Art von Behältnis diverse Dienste leistet und eine lange Geschichte hat, ist auch das Sammelgebiet weit aufgefächert. Bei seinen Streifzügen über die Flohmärkte entdeckte der Verleger Ulrich Giersch einen alltagsorientierten Sammler, der über einen fast kompletten Bestand an einfachen Papiertüten aus der DDR verfügte – ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Und einst durch Joseph Beuys geadelt: Von ihm signierte DDR-Tüten kann man bei Klaus Staeck für viele hundert Euro erwerben. Tatsächlich erweisen sich diese kurzlebigen Alltagsdinge als Artefakte einer Kultur, können Auskünfte über Lebensweisen und ihren Wandel geben. Sie waren (und sind) wichtige Instrumente des Warenverkehrs und lassen uns auf vergangene Distributionsformen blicken. Und vielleicht beruht ihre ästhetische Anmutung auf der rührend-komischen Distanz zwischen den papierenen Hüllen und ihrem von uns Heutigen schwer zu imaginierenden Inhalt. Mancher mag in diesen blass bedruckten Tüten sogar Symbole einer auf sparsamen Umgang mit den Ressourcen ausgerichteten Konsumkultur sehen. Über die "Botschaften" solcher Erinnerungsstücke wollen wir uns mit dem Herausgeber des Buches "Ornamente der Freude" an diesem Abend austauschen.

Referent: Dr. Ulrich Giersch (Kunstwissenschaftler, Ausstellungskurator, Autor kulturgeschichtlicher Publikationen, vor allem zur Berlin- und DDR-Geschichte. Seit 1990 Geschäftsführer der "Edition Panorama Berlin")

Moderation: Prof. Dietrich Mühlberg

Eine gemeinsame Veranstaltung von Helle Panke e.V. mit der Kulturinitiative '89, mit freundlicher Unterstützung von Rohnstock Biografien.