Berlin von unten
Achtung: Wir müssen die Veranstaltung coronabedingt leider absagen und hoffen, sie im nächsten Jahr nachholen zu können.
Gäste: Mohamad Abdouni, Antoine Idier, Peter Rehberg, Julian Volz
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in der Vorstellungswelt Europas wohl keinen anderen geografischen Raum, der so stark mit männlicher Homoerotik assoziiert wurde, wie der arabischsprachige. Einen Anteil daran hatten auch Schriftsteller wie André Gide und Oscar Wilde, die mit ihren Büchern und Reisen dazu beitrugen, den "Orient" als schwulen Sehnsuchtsort zu etablieren. Während diese Imaginationen noch nachhallen, wird die arabischsprachige Welt heute aber meist als zutiefst homophob markiert. Viel weniger präsent sind hierzulande die Zeugnisse eines homosexuellen Emanzipationskampfes und einer lebendigen queeren Kultur, die mal offener und mal verdeckter gelebt wird. Sie antwortet auf die von den ehemaligen Kolonialmächten eingeführte und von den islamistischen Bewegungen vorangetriebene Ächtung und Kriminalisierung gleichgeschlechtlichen Begehrens.
Welche kulturellen Praxen entwickeln Queers in arabischen Gesellschaften? Wie kam es dazu, dass der „Orient“ in einer Epoche, in der in Europa noch ein repressives Sexualregime vorherrschte, als sexualisiert, lasziv, dekadent und effeminiert galt und heute, in Zeiten der repressiven Entsublimierung hauptsächlich als prüde, patriarchal, viril und rückwärtsgerichtet gekennzeichnet wird? Wie könnte eine queere Kultur beschaffen sein, die auf universeller Befreiung von heteropatriarchalen Strukturen besteht, dabei aber nicht nur auf in westlichen Gesellschaften entwickelte Strategien zurückgreift?
Dies sind einige der Fragen, denen sich der Studientag am Schwulen Museum widmen will. Ausgangspunkt für diesen ist ein gleichnamiges Filmprojekt von Julian Volz. In diesem kommen mit Mohamad Abdouni, Antoine Idier, Abdellah Taïa, Alireza Sojaian und Akram Zaatari Künstler*innen und Intellektuelle zu Wort, die sich in ihren Arbeiten diesen Fragen stellen.
Der Studientag beschäftigt sich zum einen mit orientalistischen Fantasien über männliche Homosexualität in der arabischsprachigen Welt und untersucht, welche Rolle das männliche, gleichgeschlechtliche Begehren bei der Konstruktion zweier vermeintlich inkommensurabler und hierarchisch geordneter kultureller Räume spielte. Dem werden zum anderen Einblicke in die künstlerischer Positionen von Kunstschaffenden aus der Region selbst gestellt, die dem selbstbewusst eine eigene queere visuelle Praxis entgegenstellen.
Eine Veranstaltung von Helle Panke in Kooperation mit dem Schwulen Museum Berlin und der Rosa Luxemburg Stiftung.