Freitag, 23. Juni 2023, 11:00 bis 18:00, Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, Kopenhagener Str. 9, 10437 Berlin

Kritik und Transformation des Rechts

Perspektiven postkapitalistischen Rechts

Junge Panke Seminar

Seit einiger Zeit wird in der linken Diskussion das Recht verstärkt kritisiert: Es verdingliche gesellschaftliche Beziehungen und reproduziere sogar unabhängig von den jeweiligen Inhalten des Rechts, allein aufgrund seiner Form, gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Mit dieser radikalen Kritik des Rechts stellt sich allerdings die Frage, was an die Stelle des Rechts treten soll.

Im Workshop werden hierfür zum einen die linke Kritik des Rechts, aber auch Schwierigkeiten dieser Kritik diskutiert. Zum anderen sollen Perspektiven auf ein anderes, nicht-kapitalistisches Recht und Ansätze zur radikalen Transformation des Rechts im Hier und Jetzt vorgestellt werden.

Organisation: Georg Spoo und David Haunschschmid.

 

 

 

Programm

1. Kritik des Rechts und Kritik der Rechtskritik

10.00 – 11:20 Dr. Esther Neuhann (Hamburg): Die fortschrittshemmende Rolle des (Familien-)Rechts

11:30 – 12:50 Dr. Georg Spoo (Freiburg): Kritik der Rechtskritik am Beispiel von Eugen Paschukanis

2. Möglichkeiten eines anderen Rechts

13:00 – 14:20 David Haunschmid (Potsdam): Kommunistisches Recht - ein Oxymoron?

14:20 – 16:30 Mittagspause

16:30 – 17:50 Dr. Sabrina Zucca-Soest (Berlin): Recht – Staat – Macht

3. Transformation des Rechts in der Praxis

18:00 – 19:30 Rupay Dahm (Berlin): Wirtschaftsdemokratie und Selbstorganisation: rechtliche und materielle Voraussetzungen für eine Transformation der Produktionsweisen

 

Abstrakt zu den einzelnen Programmpunkten

Die fortschrittshemmende Rolle des (Familien-)Rechts

Dr. Esther Neuhann

Zunächst skizziere ich die allgemeine These, dass sowohl die emanzipatorische als auch die kritikwürdige Dimension des Rechts vor allem darin begründet liegt, dass das Recht soziale Begebenheiten vor allem abbildet und überformt und damit stabilisiert. Dadurch kann das Recht einerseits Regressionen verhindern und andererseits progressive gesellschaftliche Entwicklungen hemmen. Im zweiten Teil argumentiere ich, dass das deutsche Familienrecht derzeit die Entwicklung neuer Formen von Erziehungsgemeinschaften hemmt. So entscheiden sich Personen, obwohl sie etwa gerne zu Dritt ein Kind großziehen möchten, aus guten Gründen gegen solche unkonventionellen Modelle, weil diese rechtlich nicht abgesichert sind und somit das infrage kommende Kind nicht hinreichend geschützt wäre.

Kritik der Rechtskritik am Beispiel von Eugen Paschukanis

Dr. Georg Spoo

Der Name von Eugen Paschukanis ist mit einer mittlerweile klassisch gewordenen Rechtskritik verbunden. Anders als eine gemäßigte Kritik des Rechts, die Defizite oder problematische Konsequenzen des bürgerlichen Rechts moniert, eröffnet Paschukanis ein Paradigma radikaler Rechtskritik: Sie zielt nicht bloß mangelhafte Umsetzung oder Konsequenzen des Rechts, sondern auf das Recht als solches und als Ganzes. Damit ist ein Mindestniveau formuliert, dass eine radikale Kritik des Rechts nicht unterbieten darf. Zugleich lassen sich an Paschukanis Rechtskritik paradigmatisch auch die Probleme einer radikalen Rechtskritik studieren, die gesellschaftliche Vermittlung mit Herrschaft gleichsetzt und einer fragwürdigen Utopie gesellschaftlicher Unmittelbarkeit und Harmonie nachhängt.

Kommunistisches Recht - ein Oxymoron?

David Haunschmied

Vom orthodoxen Marxismus bis zur radikalen Rechtskritik der Gegenwart kann als Standartposition gelten, dass Recht mit Anspruch auf eine herrschaftsfreien Gesellschaft unvereinbar ist. Bleibt Recht stehts an die Notwendigkeit seiner gewaltsamen Durchsetzung gebunden, so muss die Idee eines "Kommunistischen Rechts" als Oxymoron verworfen werden. Ziel des Vortrages ist diese Position zurückzuweisen. Die Perspektive einer herrschaftsfreien Gesellschaft erfordert nicht die Überwindung eines jeden Rechts. Marx Philosophie der Befreiung kann als Rechtsphilosophie reformuliert und somit erneut als realistische politische Perspektive begriffen werden.

Recht – Staat – Macht

Dr. Sabrina Zucca-Soest

Nach dem allgegenwärtigen rechtsphilosophischen Etatismus besteht ein notwendiger Zusammenhang zwischen Recht, Staat und Macht; hiernach besteht kein staatsunabhängiges Recht sprich kein gesetzesunabhängiges Recht. Durch die Gesetzesherrschaft des Staates soll illegitime Macht in legitime Herrschaft umgewandelt werden. Bei dieser Rechtskonstruktion werden unreflektierte Grundannahmen zu Grunde gelegt, die es kritisch zu hinterfragen gilt. Dafür muss die Begründungslogik der legitimen Herrschaftsgewalt ebenso analysiert werden, wie die des liberalen Rechtsstaates als Rahmen für die Gesetzesherrschaft. Erst nach einer kritischen Profilierung der gängigen staatsrechtlichen Herleitungen können angemessene Überlegungen dahingehend vorgenommen werden, ob Konstrukte wie der Gesetzesherrschaft tatsächlich als Garant für die Freiheit autonomer Subjekte dienen oder diese vielmehr verhindern. Diese kritische Auseinandersetzung soll anhand der Idee von herrschaftsfreiem Recht erfolgen.

Wirtschaftsdemokratie und Selbstorganisation: rechtliche und materielle Voraussetzungen für eine Transformation der Produktionsweisen

Rupay Dahm

Eine postfossile, postkapitalistische Transformation der Wirtschaft erfordert eine Änderung der Produktionsweisen hin zu Wirtschaftsdemokratie. Zwar spielt die rechtliche Eigentumsgestaltung eine entscheidende Rolle, da sie den Schlüssel zur Macht darstellt. Dennoch ist die Rechtsform z.B. in Kollektivbetrieben oft überbewertet und weniger wichtig als eine effektive Selbstorganisation, die Autonomie und Mitsprache für alle Mitarbeiter gewährleistet. Um die gesamte Wirtschaft zu transformieren, sind Nischenprojekte nicht ausreichend, sondern es bedarf umfassender Ziele und Projekte wie die Erweiterung der Montanmitbestimmung, (Vorkaufs)Rechte zu Betriebsübernahmen und mehr Basisdemokratie im Betriebsverfassungsgesetz.

Kosten: 10 € / 6 € erm. (inkl. Versorgung)

Wo?

Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin
Kopenhagener Str. 9
10437 Berlin